Horrende Verluste beim US-Versicherer AIG haben die Talfahrt an den Börsen beschleunigt. In New York sackte der Dow Jones Index unter die Marke von...

New York. Horrende Verluste beim US-Versicherer AIG haben die Talfahrt an den Börsen beschleunigt. In New York sackte der Dow Jones Index unter die Marke von 7000 Punkten und erreichte damit den tiefsten Stand seit mehr als elf Jahren. Der Dow Jones fiel bis 19 Uhr um 225 Punkte auf 6838 Zähler.

Grund für den Sinkflug waren neue Schreckensmeldungen aus der Finanzbranche. Der Versicherer AIG hatte im vergangenen Quartal mit einem Minus von fast 62 Milliarden Dollar den größten Verlust der Wirtschaftsgeschichte verbucht. Für das Gesamtjahr beträgt der Verlust 99,3 Milliarden Dollar. Der einst weltgrößte Versicherer wird seit Herbst 2008 vom US-Staat am Leben erhalten, der inzwischen einen Anteil von 80 Prozent hält.

Angesichts der dramatischen Verluste muss die US-Regierung die Hilfsmaßnahmen für das Unternehmen um 30 Milliarden Dollar auf insgesamt 180 Milliarden Dollar aufstocken. Die neue Hilfe bescherte der Aktie, die nur noch im Cent-Bereich notiert, einen Kurssprung um rund 20 Prozent. Ein Zusammenbruch des Versicherungsgiganten würde sich verheerend auf die Weltwirtschaft auswirken. Auch deutsche Kommunen wäre betroffen. Hintergrund sind sogenannte Cross-Border-Leasing-Geschäfte: Bei diesen Geschäften haben klamme Kommunen mittels komplexer Vertragswerke ihre Kanalnetze, Teile von Stadtbahnen oder Müllverwertungsanlagen US-Investoren gegen Geld überlassen, um sie gleich wieder zurückzumieten. Mit dem Erlös wurden einerseits die maroden Haushalte saniert, die Geldgeber in Amerika bekamen wiederum Steuervorteile für ihre Investitionen. Die Laufzeiten der Abkommen liegen in der Regel zwischen 30 und 99 Jahren - und sie wurden von AIG abgesichert. Wäre AIG zahlungsunfähig, müssten die Städten und Gemeinden neue, vermutlich teurere Versicherungspolicen für ihre Leasingverträge abschließen.

Auch in Europa gingen die Börsen gestern auf Talfahrt. Der Deutsche Aktienindex beendete den Handel mit 3710 Punkten, ein Verlust von 3,5 Prozent. Das wichtigste deutsche Börsenbarometer schloss damit so tief wie seit Oktober 2003 nicht mehr. "Die Nachrichten zu AIG werden als Ausdruck für das weitere Fortschreiten der Finanzkrise gewertet", sagte ein Händler: "Das ist ein rabenschwarzer Start in die Börsenwoche."

Für schlechte Stimmung an den europäischen Börsen sorgte auch die Kapitalerhöhung der größten britischen Bank, der HSBC. Sie hat eine Kapitalerhöhung von umgerechnet 14,2 Milliarden Euro angekündigt, die ausschließlich von privaten Investoren getragen werden soll.

Die Bank will in den USA die meisten ihrer 800 Filialen schließen. 5000 bis 6000 Mitarbeiter sind betroffen. "Es gibt einen weltweiten Engpass bei der Finanzierung von Banken", sagte HSBC-Chef Michael Geoghegan in einem Interview.