Die Hertie-Flaggen flattern im Wind. Tiefrot sind sie. Wie die Zahlen des Kaufhauskonzerns. Fast jede Vierte der 73 Filialen muss schließen. Auch...

Die Hertie-Flaggen flattern im Wind. Tiefrot sind sie. Wie die Zahlen des Kaufhauskonzerns. Fast jede Vierte der 73 Filialen muss schließen. Auch die in Langenhorn ist eine Nummer vier. "Die machen bald dicht hier", raunt eine ältere Dame dem jungen Mann am Wühltisch zu. Überall zwischen reduzierten Deodorants und Kniestrümpfen zum Knallerpreis liegen bleiern und unsichtbar Pleite, Jobangst, Zukunftssorgen im Regal. Darüber reden die Kunden, darüber schweigen die Mitarbeiter. "Wir hätten uns das auch anders gewünscht", flüstert eine Verkäuferin. Mehr dürfe sie nicht sagen. Der Betriebsrat tage gerade, sagt eine andere Kassiererin. Stunden könne das noch dauern. Zu besprechen gibt es viel. "Es stehen schließlich einige Existenzen auf dem Spiel", schiebt sie leise hinterher. Etwa 60 Menschen arbeiten in dem grauen 70er-Jahre-Konsumklotz am Krohnstieg.

Unten, gleich neben dem Kaufhaus-Eingang am Langenhorner Markt, betreibt Roger Lütz (46) den Imbiss Curry & Co. Er hat erst vor zwei Tagen eröffnet, Hertie wird wahrscheinlich in zwei Monaten schließen. "Es tut mir leid für die Belegschaft", sagt er. "Was bitte macht jemand, der vielleicht fünf Jahre vor der Rente arbeitslos wird?" Darüber sollten die Manager mal nachdenken, meint er. Sein Imbiss ist von der Schließung nicht betroffen. "Da zieht doch wieder ein neuer Laden ein." Eine großer Elektronikmarkt soll interessiert sein, will ein Passant schon gehört haben. "Ein kleines Einkaufszentrum mit verschiedenen Fachgeschäften wäre schön", sagt Martina Braunschweig (44) aus Fuhlsbüttel. Sie schaut auf den Hertie-Bau, der einst eine Karstadt-Filiale war. Emotional betrachtet sie die Entwicklung als Kundin: "Das Kaufhaus wird fehlen. Weil ich hier vom Nähgarn bis zur Kinderkleidung alles bekomme." Mehr als 50 000 Artikel hat das Warenhaus im Sortiment. Professionell betrachtet sie die Entwicklung als Immobilienfachwirtin: "Der Standort ist ideal. Jetzt muss ein Investor her, der das Gebäude entkernt und ordentlich saniert."

Ein älteres Paar tritt gerade aus dem Kaufhaus. Ob sie häufig hier einkaufen? "Sehr oft", sagt sie. "Fast nie", sagt er im selben Moment. Trotzdem sind sich Hildegard und Alfred Steffen, beide 80 Jahre alt, einig. "Es ist traurig. Ein Laden nach dem anderen macht dicht. Und jetzt noch Hertie." In der Hand halten sie ihre Einkäufe, eingetütet in eine Plastiktasche. Sie ist tiefrot. Wie die Zahlen von Hertie.