Den Streit um den Conti-Aufsichtsrat hat der Großaktionär Schaeffler beigelegt, die Lage wird jedoch immer ernster: Beide Konzerne sind hoch verschuldet und könnten einem Bericht zufolge Staatshilfen brauchen. Möglicherweise wird die Reifensparte mit Phoenix in Hamburg dann herausgelöst.

Hannover. Bei der Übernahme des Continental-Konzerns in Hannover durch das deutlich kleinere bayerische Familienunternehmen Schaeffler zeichnet sich eine dramatische Entwicklung ab. Beide Firmengruppen brauchen laut "Handelsblatt" offenbar jeweils eine halbe Milliarde Euro Staatshilfe zum Überleben. Sie sitzen zusammen auf einem Schuldenberg von 22 Milliarden Euro.

Die Ministerpräsidenten Christian Wulff (Niedersachsen) für Conti und Horst Seehofer (Bayern) für Schaeffler sollen diese Hilfe bereits zugesagt und im Gegenzug Einfluss auf strategische Weichenstellungen zur Standortpolitik genommen haben. Dies könnte auf die Aufteilung von Continental hinauslaufen.

Beide Staatskanzleien bestätigten gestern Gespräche mit den beteiligten Unternehmen, die zusammen rund 200.000 Mitarbeiter beschäftigen, bestritten aber konkrete Absprachen oder Zusagen. Die Interessenslagen der beiden Länder lassen sich allerdings nahtlos an den verschiedenen Produktionszweigen von Conti festmachen.

Das alte Kerngeschäft des Konzerns sind die Bereiche Reifen und Gummi mit Schwerpunkt im Norden mit 50.000 Arbeitnehmern vor allem in Niedersachsen und Hamburg mit der früheren Phoenix. Die Conti-Expansion in andere Autozulieferbereiche erfolgte unterdessen vor allem durch den Zukauf von VDO in Süddeutschland. Diesen noch größeren Brocken mit rund 85.000 Beschäftigten könnte der Käufer Schaeffler besser verdauen als den Gesamtkonzern Conti.

Unterdessen entschied der Großaktionär Schaeffler am Wochenende einen wichtigen Machtkampf für sich: Auf Druck von Schaeffler trat der bisherige Aufsichtsratschefs Hubertus von Grünberg zurück, bleibt aber Mitglied des Gremiums. Rolf Koerfer wird neuer Vorsitzender. Die Schaeffler-Gruppe besetzt künftig vier der zehn Sitze in dem Aufsichtsgremium. Zudem wurde in der Krisensitzung entschieden, den traditionsreichen Kern von Continental, die Reifensparte, aus dem Konzerngeflecht als "organisatorisch und rechtlich selbstständige Gruppe" herauszulösen.

Dies solle "unter enger Begleitung" von Hubertus von Grünberg erfolgen, der in der niedersächsischen Politik als eng vernetzt gilt. Der frühere niedersächsische Ministerpräsident und Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder ist wiederum Garant der Investorenvereinbarung, mit der im Vorjahr der erste Akt im Machtkampf um den Mehrheitseinstieg von Schaeffler in Hannover beigelegt werden sollte. Die Vereinbarung regelt, dass Schaeffler vier Jahre lang direkt nur 49,99 Prozent der Anteile halten und die Entscheidungsautonomie der Conti auch in strategischen Fragen nicht antasten darf.

Die Schieflage beider Konzerne hat im Kern die gleiche Ursache: Zukäufe auf Pump in Zeiten der Hochkonjunktur, die jetzt in der Krise die Substanz bedrohen. Es fehlen die nötigen Gewinne, um Zinsen und Tilgung zu leisten. Conti hat elf Milliarden Euro Schulden wegen der VDO-Übernahme, Schaeffler hat sich in ähnlicher Größenordnung verschuldet beim Conti-Einkauf.

Das Übernahmeangebot für 50 Prozent erfolgte noch in guten Zeiten, dann stürzte der Conti-Kurs ab und Schaeffler musste zum garantierten hohen Kurs sogar 90 Prozent der Aktien übernehmen. Die übrigen 40 Prozent hat Schaeffler deshalb bei Banken "geparkt". Die Herausforderung der Zukunft heißt nun, wie die Conti-Schulden bei einer Kooperation oder Aufteilung verteilt werden, ohne dass einer der Beteiligten in die Knie geht.