China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde. Dennoch pocht das Land vor dem G20 auf seinen Status als größtes Entwicklungsland.

Los Cabos. Alle blicken nach China. Aber die zweitgrößte Wirtschaftsnation scheut die internationale Verantwortung, die ihr angetragen wird. Das Reich der Mitte will sich nicht unter die großen Wirtschaftsmächte einreihen lassen, sondern pocht auf seinen Status als größtes Entwicklungsland. Vor dem Gipfel der 20 großen Industrie- und Schwellenländer (G20) am Montag und Dienstag im mexikanischen Los Cabos spielt Vizeaußenminister Cui Tiankai die Bedeutung seines Landes herunter: „Bis China wirklich eine Wirtschaftsmacht in der Welt ist, müssen wir noch einen langen Weg zurücklegen.“

Gemessen an der Wirtschaftsleistung pro Kopf liege sein Land nur etwa auf Platz 100. Es gebe „viele arme Menschen“ in China, das mit „akuten Problemen“ und einer unausgewogenen Entwicklung zu kämpfen habe. Der Vizeminister geht sogar so weit: „China wird immer ein Entwicklungsland bleiben, egal wie stark wir sind.“ Es ist aber eher ein Bekenntnis, unbedingt die Geschlossenheit der Entwicklungsländer wahren zu wollen, um ein Gegengewicht zur Dominanz der um die USA gescharten westlichen Industrienationen bilden zu können.

China fürchtet eine Spaltung und damit eine Schwächung dieser Ländergruppe, wenn es wegen seiner wachsenden Leistungskraft zu den Wirtschaftsmächten gerechnet und von den Entwicklungsländern isoliert würde. „Es würde den Status aller schwächen“, warnt der Vizeminister. Dass sich das große China unverändert als Sprecher der Entwicklungsländer versteht, macht Cui Tiankai auch mit seiner Forderung deutlich, dass die reichen Länder stärker auf die Bedürfnisse der ärmeren Länder eingehen müssten.

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Für die Bereitschaft, Milliarden aus seinen weltgrößten Devisenreserven für neue Mittel des Währungsfonds (IMF) zur Krisenbewältigung locker zu machen, fordert Peking mehr Mitsprache. Trotz der Ungleichgewichte in den Warenströmen, die auch hinter der Krise stecken, fühlt sich der Exportweltmeister als Opfer. Die Verantwortung liege bei den Amerikanern und Europäern: „Als erstes müssen die Länder ihr eigenes Haus in Ordnung bringen“, heißt es in Peking. China selbst arbeite hart, um Wachstum zu schaffen. „Das ist an sich schon ein großer Beitrag zur Weltwirtschaft.“

Mit dem Ankauf von Schatzanleihen europäischer Länder will China zur Stabilisierung seines größten Handelspartners Europa beitragen. Gebetsmühlenartig wiederholt Peking seine Zuversicht, „dass die Europäer die Weisheit und die Fähigkeiten zu Lösung der Krise haben“. Doch sind neuerdings auch Zweifel zu hören: „Wir rechnen mit den besten Ergebnissen der Politik, gleichzeitig sind wir aber auf den schlimmsten Fall vorbereitet“, sagt Vizefinanzminister Zhu Guangyao.

„China ist nicht so leicht bereit, wirtschaftliche und politische Verantwortung zu übernehmen“, sagt Professor Cheng Xiaohe von der Volksuniversität in Peking der Nachrichtenagentur dpa. Die Kernfrage sei, ob China die Probleme auch wirklich lösen könne. Es herrsche Unsicherheit, welche Rolle übernommen werden könne. „China hat nicht so viel Vertrauen in seinen Einfluss auf der Weltbühne“, sagt der Experte für internationale Beziehungen. „Werden andere unsere Rolle akzeptieren? Können wir etwas bewirken? Hier zögern wird noch.“

Die USA nennen China einen „entscheidenden Partner“, um die Weltwirtschaft auf Kurs zu halten. Neben der Finanzkrise stehen auch die Krisenherde Syrien, Iran und Nordkorea im Mittelpunkt, wenn Chinas Präsident Hu Jintao und US-Präsident Barack Obama am Dienstag am Rande des Gipfels in Los Cabos zusammentreffen. Als Veto-Macht im Weltsicherheitsrat pflegt China eine Politik der Nicht-Einmischung, kann sich aber immer schwerer raushalten. Peking – früher selbst Opfer von Sanktionen – lehnt Strafmaßnahmen als Mittel der Außenpolitik ab.

Im Konflikt in Syrien steht China auf Seiten Russlands und will das Thema auf dem G20-Gipfel am liebsten meiden. Ähnlich setzt Peking im Streit um das Atomprogramm des Irans auf Dialog. Zwar will China auch keine Atomwaffen in den Händen Teherans sehen, betont aber das Recht auf friedliche Nutzung der Kernenergie und will seine Interessen im Iran nicht gefährden. Auch im Umgang mit Nordkorea will Peking die Schrauben nicht anziehen. Dabei sind die Gespräche seit mehr als drei Jahren ausgesetzt, während der stalinistische Nachbar die Zeit nutzt, um an Atomwaffen und Langstreckenraketen zu basteln.

(dpa)