London. Ein Familienvideo der Windsors beschäftigt die Briten: Es zeigt die spätere Queen und ihren Onkel Edward beim Nazigruß.
Als Hitler in Deutschland an die Macht kam, hieß die heutige Elizabeth II. (89) noch Lilibet und war sechs Jahre alt. Zehn Jahre später, mitten im Zweiten Weltkrieg, trat sie in die Frauenabteilung der britischen Armee ein, die gegen Hitler kämpfte. Den Sieg über die Nazis feierte sie ausgelassen und unerkannt in Uniform mit Tausenden Londonern. Ein Video, das sie in den 30ern als kleines Mädchen spielerisch mit erhobenem rechten Arm zeigt, wirft vermutlich kein schlechtes Licht auf die Queen, die erst im Juni tief bewegt das frühere Konzentrationslager Bergen-Belsen besucht hat. Fragen muss sich das Königshaus trotzdem stellen.
Denn in dem nur 17 Sekunden langen, körnigen Schwarz-Weiß-Film, den die britische Boulevardzeitung „Sun“ in der Nacht zum Sonnabend veröffentlicht hat, ist auch der spätere König Edward VIII. zu sehen, der Onkel der heutigen Königin. Er hat nicht nur eine der schwersten Krisen der britischen Monarchie der jüngeren Zeit ausgelöst, als er im Dezember 1936 nach nur 325 Tagen den Thron freiwillig aufgab, um eine geschiedene Amerikanerin zu ehelichen. Edward (1894-1872) sympathisierte auch offen mit den Nationalsozialisten.
„Bis heute wissen wir wenig über die politischen Ansichten der königlichen Familie in den 1930ern“, sagt die Historikerin Karina Urbach, die die „Sun“ vor der Veröffentlichung befragt hat. Bekannt sei, dass Edward sich für Faschismus interessierte und 1933 gesagt habe, England brauche diesen auch, da sich nur so der Kommunismus bekämpfen ließe.
Ursprung im Alten Rom
Dass es der Gruß der Nazis ist, den die Royals in dem Video zeigen - neben Edward und Elizabeth sind auch die Queen Mum und die kleine Schwester Elizabeths, Prinzessin Margaret, zu sehen - bezweifelte in Großbritannien am Sonnabend niemand.
Die Geste hat ihren Ursprung möglicherweise im Alten Rom und wurde erst später von den Nationalsozialisten für Propagandazwecke eingesetzt. Zum Riesen-Aufreger taugt das Video erst mal nicht. Dass die Queen selbst über jeden Nazi-Verdacht erhaben ist, ist Konsens.
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Die Sache mit ihrem Onkel ist allerdings historisch noch nicht aufgearbeitet. Urbach hat nach eigenen Angaben in spanischen und russischen Archiven Beweise dafür gefunden, dass Edward 1940 über eine mögliche Allianz der Briten mit Hitler gesprochen habe. Drei Jahre zuvor, vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, hatte er den Diktator in München besucht.
Bisher hätten die Archive des Königshauses Historikern keinen Zugang zu Material aus den 1930ern gegeben, sagt Urbach. „Ich denke, es ist sehr, sehr gut, dass die „Sun“ dieses Dokument aufgedeckt hat.“ Der Palast sieht das naturgemäß anders und reagierte ungewöhnlich zügig. „Enttäuschend“ sei es, dass die Zeitung das private, acht Jahrzehnte alte Video „beschafft und auf diese Weise ausgeschlachtet“ habe.
Kein Wort zu dem, was darin zu sehen ist, kein Wort zu Edward. Auch auf der Homepage des Königshauses sind seine politischen Ansichten kein Thema, schließlich soll ein britischer Monarch der - ungeschriebenen - Verfassung des Landes zufolge ja gar keine haben.
Versehentlich herausgegeben
Wie das Video überhaupt in die Hände der „Sun“ gekommen ist, verschweigt die Zeitung. Den Palast werde das brennend interessieren, sagte der frühere Pressesprecher der Queen, Dickie Arbiter, dem Sender Sky News. „Ich könnte mir vorstellen, dass es versehentlich mit ein bisschen harmlosem Material von 1933 herausgegeben wurde, ohne dass jemand wirklich wusste, was drauf war.“
Der BBC sagte Arbiter, man müsse die Bilder im Kontext betrachten - sie seien vermutlich im Sommer 1933 auf dem königlichen Landsitz Balmoral in Schottland aufgenommen worden, damals habe niemand gewusst, was Ende der 1930er geschehen werde.
Das ist natürlich richtig. Niemand würde einer siebenjährigen Prinzessin ernsthaft faschistische Ideen unterstellen. Doch Edwards Fall ist ein anderer. Mit der Geschichte von Elizabeths Onkel tut sich das Königshaus noch schwerer als mit den deutschen Wurzeln der Familie. Am vergangenen Freitag war der 98. Jahrestag des Namenswechsels von Sachsen-Coburg und Gotha zu Windsor. Der Grund: König George V. hatte im Ersten Weltkrieg die Sticheleien über die „deutschen“ Monarchen auf dem britischen Thron satt und änderte den Namen des Hauses in Windsor.