Bergen-Belsen/Celle. Zum Abschluss ihres umjubelten Deutschland-Besuchs besucht Elizabeth II. das ehemalige Konzentrationslager

Ganz zum Schluss gibt es wieder schöne Bilder: Queen Elizabeth widmet sich volle zehn Sekunden den am roten Teppich aufgereihten Mädchen und Jungen eines Celler Kindergartens, nimmt an der eigens aufgebauten Tribüne einige Sträuße persönlich entgegen. Und das halbe Dutzend britischer Musiker spielt tapfer an gegen den Lärm der jubelnden Menschen. Zuvor aber hat die Queen an diesem Freitag ein ganz anderes Zeichen gesetzt mit ihrem Besuch des Konzentrationslagers (KZ) Bergen-Belsen.

Das KZ ist in Großbritannien das Synonym schlechthin für die Gräueltaten der Nazis. Es waren englische Soldaten, die das Lager am 15. April 1945 befreiten; die Bilder der Leichenberge gingen um die Welt. Insgesamt starben dort über 70.000 Menschen. Es waren wiederum die Briten, die dann das erste Militärgericht einrichteten, das in Lüneburg Todesurteile gegen elf Männer und Frauen fällte und vollstreckte. Die meisten gehörten der SS an und waren Teil der Lagerleitung gewesen.

Der Besuch der Gedenkstätte Bergen-Belsen entspricht einem persönlichen Wunsch der Monarchin, die bei den vier vorangegangenen Deutschland-Besuchen keinen vergleichbaren Termin absolviert hat. Zurückhaltend, wie sie nun mal ist, würde sie wohl auch den Begriff historisch vermeiden, der anschließend durch die Medien geistert. Am Morgen in Berlin hat sie noch ein gelbes Kleid getragen, in Bergen-Belsen trägt sie ein graues Mantelkleid. Die Monarchin hat sich für den Besuch eine möglichst private Atmosphäre gewünscht. Im Raum der Stille, einem Andachtsraum, ist das Königspaar dann einen Moment lang ganz allein, steht auch einen Moment vor dem Gedenkstein, der an die erst 15-jährige Anne Frank erinnert. Gedenkstättenleiter Jens-Christian Wagner hat bereits im Vorfeld daran erinnert, dass die Königin mit 89 in genau dem Alter vieler Überlebender ist. Und mit mehreren Überlebenden, die teilweise aus England angereist sind, spricht sie dann auch. Hinzu kommen zwei Veteranen der Armee, die bei der Befreiung dabei waren. „Es muss der Horror gewesen sein“, zitiert die Königin einen von ihnen später vor Journalisten.

Die Gespräche sind vermutlich auch der Grund dafür, dass die sonst peinlich auf Pünktlichkeit bedachte Monarchin mit etwa 15-minütiger Verspätung die Heimreise antritt. Eine der Gesprächspartnerinnen der Königin in Bergen-Belsen ist Anita Lasker-Wallfisch, genau wie die Königin 89 Jahre alt. Sie hat Auschwitz überlebt und sagt nachher etwas, das in den vergangenen Wochen auch immer wieder andere Auschwitz-Überlebende ganz ähnlich ausgedrückt haben im Prozess gegen einen 94-jährigen SS-Mann, dem vor dem Landgericht Lüneburg der Prozess gemacht wird: „Wir sind die Stimmen der Menschen, die starben.“

Gedenkstättenleiter Wagner hat bei der kurzen Führung Gelegenheit, der Queen zu erläutern, was ihm wichtig ist: Bergen-Belsen ist keine Holocaust-, sondern eine KZ-Gedenkstätte, weil hier eben nicht nur Juden eingesperrt und ermordet wurden, sondern weil es viele Opfergruppen gab: „Jeder weiß, wer Anne Frank war, aber die politischen Häftlinge geraten in jüngster Zeit leider zunehmend in Vergessenheit.“

An diesem letzten Besuchstag mit seinem fast privaten Charakter ist der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) der ranghöchste deutsche Politiker, geht an ihrer Seite und freut sich über Tausende von Menschen, die bei der Fahrt zum Flughafen die abgesperrten Straßen säumen und fröhlich winken. Er sagt später mit Blick auf den Besuch der KZ-Gedenkstätte: „Dieser Besuch der Königin ist eine ganz besondere Geste, für die wir dankbar sind.“

Am Morgen noch hat ein Mann den roten Teppich vor dem Hotel Adlon eifrig gefegt für die Queen, auf dem Heeresflughafen entfernt eine Frau vom Protokoll noch einen Schnipsel. Die Musiker der britischen Armee beweisen Internationalität und spielen den Radetzky-Marsch, ehe sie zum Abschied der Königin die Titelmelodie aus dem alten James-Bond-Film „Goldfinger“ intonieren. Die örtliche Prominenz aus Celle – die Ehefrauen gern mit Hut – bilden das letzte Spalier für die Queen auf dieser Reise. Auf der anderen Seite haben die Motorradpolizisten Aufstellung genommen, und die Queen winkt ihnen beinahe fröhlich zu zum Abschied. Und wie immer folgt ihr Prinz Philip trotz seiner 94 Jahre auf dem Fuße.

Die Tür zum Flugzeug schließt sich, die Triebwerke werden lauter, und um 13.49 Uhr rollt die Maschine zum Start, hebt ab und wird danach von zwei deutschen Eurofightern eskortiert. Und die Polizeiinspektion Celle teilt umgehend mit: „Der Besuch der britischen Königin verlief aus polizeilicher Sicht ohne Störungen.“