War es ein Pilotenfehler oder versagte der Computer? Der seltsame Crash der Boeing 777 am Airport San Francisco könnte auch an schlechter Kommunikation im Cockpit liegen.
San Francisco/Hamburg. Das Rätsel um den Unglücksflug von Asiana 214 von Shanghai nach San Francisco (SFO) wird immer verworrener. Amerikanische Flugunfall-Ermittler der Verkehrssicherheitsbehörde (NTSB) berichteten am Montagnachmittag von mehreren Ursachen, die der Absturz an der Landebahn hervorgerufen haben können: die Unerfahrenheit eines der beiden Piloten, der Autopilot, also der Computer der Boeing777 oder eine Verkettung unglücklicher Umstände. Die Air-Asiana-Maschine mit 307 Insassen an Bord wurde von einem mit dem Flugzeugtyp kaum vertrauten Piloten gelenkt und steuerte offenbar viel zu langsam auf die Landebahn zu. Von den 182 Verletzten schwebten sechs zunächst weiter in Lebensgefahr. Eines der beiden Todesopfer kam womöglich durch unachtsame Rettungskräfte ums Leben. Die junge Frau wurde offenbar von einem Rettungswagen überrollt.
Die Landegeschwindigkeit der Boeing 777 lag nach Erkenntnissen der NTSB weit unter den üblichen 137 Knoten (254 Stundenkilometern). „Wir sprechen nicht über ein paar Knoten hier und dort, sondern über eine signifikant niedrigere Geschwindigkeit als 137 Knoten“, sagte NTSB-Chefin Deborah Hersman unter Berufung auf vorläufige Auswertungen der Flugschreiber. Um die genaue Geschwindigkeit beim Landeanflug zu ermitteln, müssten aber noch Radaraufzeichnungen und andere Luftfahrtdaten abgeglichen werden. Detaillierte Untersuchungen könnten insgesamt bis zu 18 Monate dauern.
Der Stimmenrekorder und der Flugdatenschreiber lieferten der NTSB präzise Aufzeichnungen, sodass die Prüfer einen vorläufigen Bericht des Unfallhergangs erstellen konnten: Demnach löste der langsame Landeanflug ein Warnsignal im Cockpit aus. Sieben Sekunden vor der Bruchlandung bat einer der Piloten um Erlaubnis zum Beschleunigen, eineinhalb Sekunden vor dem Aufprall sprach sich einer der Piloten dann dafür aus, nicht zu landen und die Maschine wieder hochzuziehen. War es auch ein Kommunikationsfehler im Cockpit? Ob der Autopilot und wann er abgeschaltet wurde, ist noch unklar. Denkbar ist, dass die Piloten zu spät eingegriffen haben.
Deutsche Luftfahrtexperten haben Berichte über angebliche Sicherheitsmängel auf dem Flughafen von San Francisco relativiert. Trotz der Abschaltung eines der Flugleitsysteme hätte der Pilot der Unglücksmaschine das Flugzeug sicher landen können, sagte Martin Locher, ein Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit, der Nachrichtenagentur AFP. Zur Unglückszeit war demnach der sogenannte Gleitpfad des Instrumentenlandesytems, das im Cockpit Höhe und Entfernung zur Landebahn anzeigt, wegen Wartungsarbeiten abgeschaltet.
Dies sei in der Regel „nicht dramatisch“, sagte Locher. Es gebe noch andere Instrumente zur Höhenmessung im Cockpit. Auch Axel Raab von der Deutschen Flugsicherung (DFS) betonte, ein Pilot müsse auch das Fliegen auf Sicht bewältigen können. „Wenn er zu tief ist, muss ein Pilot durchstarten.“ Das sei ein gängiges Verfahren.
Locher betonte zugleich, dass San Francisco ein „anspruchsvoller Flughafen“ sei mit sehr vielen Anflügen, die eng gestaffelt würden. Dies sei stressig, aber in der Regel „nicht gefährlich“.
„Spiegel online“ hatte einen ungenannten Piloten einer deutschen Fluggesellschaft mit der Aussage zitiert, dass ein „stabilisierter Anflug“ auf San Francisco wegen der Störung der Flugleitsysteme „kaum mehr möglich gewesen“ sei. Zudem habe der Flughafen unter Piloten einen äußerst schlechten Ruf, weil die Maschinen aus großer Höhe schnell herunterkommen sollen.
Auf einem vom US-Nachrichtensender CNN ausgestrahlten Amateurvideo ist zu sehen, wie die Unglücksmaschine beim Anflug auf den am Meer gelegenen Flughafen mit dem Heck eine Ufermauer streifte. Danach kippte sie auf den Rumpf, überschlug sich beinahe und schleuderte um etwa 180 Grad herum. Bei der Bruchlandung wurden das Fahrwerk und Heck des Flugzeugs abgerissen, danach brach Feuer aus.
Der Pilot der Unglücksmaschine befand sich laut offiziellen Angaben für Flüge mit der Boeing 777 noch in einer Trainingsphase. Zwar handele es sich um einen ansonsten sehr erfahrenen Piloten, doch in San Francisco sei er noch niemals zuvor mit einer 777 gelandet. Er habe diesen Flugzeugtyp insgesamt erst neunmal gelandet, teilte das Verkehrsministerium in Seoul mit. Zwar hieß es, das sei durchaus normal – wirklich beruhigend für die Passagiere und Überlebende sind diese Informationen wohl kaum. „Eine schockierende Enthüllung“, nannte das der TV-Sender CNN.
Air Asiana erklärte, die 2006 gekaufte Unglücksmaschine habe nach bisherigen Erkenntnissen „keine Motor- oder mechanischen Probleme“ gehabt. Allerdings habe der Pilot mit dem Flugzeugtyp Boeing 777 erst 43 Flugstunden absolviert. Unklar ist, inwiefern dies für das Unglück eine ursächliche Rolle spielte: Nach Airline-Angaben wies der 46-Jährige insgesamt schon mehr als 9000 Flugstunden auf und hatte einen erfahrenen Ausbilder als Ko-Pilot zur Seite.
123 Insassen kamen unverletzt davon. Zwei Chinesinnen im Alter von 15 und 16 Jahren starben, alle übrigen 182 Menschen an Bord wurden verletzt. Die Mediziner berichteten von vielen Unterleibs- und Rückenmarksverletzungen, von denen einige mit Lähmungen einhergingen.
San Franciscos Feuerwehrchefin Joanne Hayes-White musste inzwischen einräumen, dass eines der beiden umgekommenen Mädchen möglicherweise von einem herbeieilenden Löschfahrzeug überrollt und tödlich verletzt wurde. „Das könnte im Chaos passiert sei“, sagte sie der Zeitung „San Francisco Chronicle“. Einem Gerichtsmediziner zufolge wies die Jugendliche jedenfalls keine schweren Brandwunden auf.
Die Boeing 777 ist eines der meistgenutzten Langstreckenflugzeuge der Welt. Asiana, die zweitgrößte Fluggesellschaft Südkoreas, gilt als zuverlässig, das letzte Unglück mit Todesopfern liegt 20 Jahre zurück.