Berlin. In einem kleinen Dorf auf Kreta lebten einst Hippies aus aller Welt. Doch was ist heute aus dem berühmten Aussteiger-Ort geworden?
„Golden brown, texture like sun“, tönt es leise aus einem Restaurant am Strand. Die Wellen schlagen gegen die hohen Mauern des Hafens. Die bunten Farben der Gassen faszinieren die Besucher, die durch Mátala ziehen. Das kleine Dorf im Süden Kretas gibt auf den ersten Blick wenige Hinweise auf seine spannende Vergangenheit. Es reiht sich ein Hotel ans andere, hinzu kommen Tavernen und Souvenirshops – im Prinzip wie in jedem griechischen Urlaubsort. Doch wer genauer hinschaut, bemerkt: Hier lebten vor fast 50 Jahren Hippies und Reisende aus aller Welt.
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Bereits am Ortseingang wird man von einem wohl 600 Jahre alten Olivenbaum mit Einkerbungen begrüßt. „Welcome to Mátala“ steht in Großbuchstaben vor ihm auf der Straße. Mit dem Motto „Today is life, tomorrow never comes“ schmückt ein großer blauer Schriftzug den Hafen des ehemaligen Fischerdorfes.
Der Strand ist voll mit Besuchern. Einer nach dem anderen versucht, seiner blassen Winterhaut ein wenig Bräune zu verschaffen und die freien Stunden am Meer zu genießen. Dass Mátala zwischen zwei Bergen liegt und daher nahezu windstill ist, hilft dabei.
Touristen der anderen Art – mit dem Schlafsack in die Höhlen
Die Hippies lebten in den einst von Römern gebauten Höhlen, die direkt am Strand sind. Es waren wohl kaum die schönsten Wohnungen, noch die gemütlichsten – doch hatte man alles, was man zum Leben brauchte. Ein „Dach“ über dem Kopf bei Regen, einen Rückzugsort von der knallenden Sonne und einen privaten Platz zum Schlafen, der mit einem Schlafsack schon fast zum Luxushotel wurde. Mittlerweile sind diese Höhlen zu archäologischen Denkmälern geworden und können besichtigt werden.
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Sie kamen aus allen Ländern der Welt. Frankreich, Australien, Deutschland und besonders aus den USA. Hippies seien sie aber nach eigener Aussage nicht gewesen – eher Reisende, teils Vietnam-Kriegsverweigerer, einige Verlorene. „Sie wollten dem Konformitätsdruck der Gesellschaft entfliehen“, sagt uns Elzo Smid. Der Niederländer erstellte nach seinem Mátala-Besuch im Jahr 1996 eine Website, auf der er die Geschichten der ehemaligen Bewohner sammelt.
Auch Pam und Shirley, heute um die Achtzig, können sich noch gut daran erinnern, wie sie im Sommer 1967 in einer der Höhlen gewohnt haben, berichten sie gegenüber unserer Redaktion. Die beiden Schwestern waren damals Mitte 20 und auf der Reise durch Europa. Als sie in Heraklion ankamen, der größten Stadt der Insel, habe man ihnen von Mátala erzählt und dazu geraten: „Was auch immer ihr tut, geht nicht nach Mátala. Da wimmelt es nur so von Drogen, Sex und dreckigen Hippies“, erzählen die Britinnen. „Also haben wir den nächsten Bus nach Mátala genommen, wie es sich gehört“, erinnert sich Shirley lachend.
Zwei Rucksacktouristinnen erinnern sich an ihre aufregende Zeit
Als die beiden ankamen, waren ungefähr 20 weitere Menschen dort, die die Höhlen in Beschlag genommen hatten. „Wir mussten auf der dritten Ebene schlafen, ganz oben, weil alle unteren Ebenen belegt waren.“ Sie schaffen es noch bis zur ersten Ebene der Höhlen, trauen sich aber nicht mehr höher hinauf.
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Im Sommer 1967 waren die Schwestern gerade auf der Durchreise, nachdem sie ihr Geld für eine Rucksacktour gespart hatten. „Durch die günstigen Lebenskosten konnten wir am Ende viel länger bleiben – was uns natürlich gefiel“, erklärt Pam. Pam kehrte in den Sommern 1968 und 1969 nach Mátala zurück, und beide kamen 2011 und 2014 zum Mátala-Festival.
Der Lebensstil war einfach: „Wir schwammen und lagen in der Sonne und saßen abends im Schatten und redeten miteinander. 1967 gab es im Dorf kein Restaurant, sondern nur einen Laden, der ein paar Vorräte wie Nudeln und Tomatensoße in Dosen verkaufte, also kochten wir in den Höhlen, was manchmal Stunden dauerte“, so Shirley. Pam sagte: „In den folgenden Jahren gingen wir abends alle ins Dorf, um billig zu essen, und dort gab es immer Musik und es wurde getanzt.“
Der Mythos von „Drogen, Sex und dreckige Hippies“ lehnen die beiden Schwestern ab. „Wir waren sehr sauber und anständig“, sagt Pam. „Und wir haben nur nette, interessante Menschen kennengelernt, von denen keiner ein schmutziger, unmoralischer Aussteiger war.“ Auch Smid betont, dass es sich nur um Vorurteile handle.
Auch Musikerin Joni Mitchell hat Zeit im Hippie-Dorf verbracht
Heute haben viele der Reisenden doch ein eher gewöhnliches Leben eingeschlagen. Die Schwestern stehen noch immer in Kontakt mit vielen von früher. Einige wurden Autoren, Dramatiker, Musiker oder Akademiker. „Ich bin Buchautorin und Illustratorin“, sagt Shirley. Doch weder Pam noch Shirley haben ihre Vergangenheit vergessen können. Shirley schrieb über ihre Zeit in Mátala in ihren Memoiren „Dancing Through Life“. Die beiden Schwestern leben heute in Australien.
Auch Promis wie Joni Mitchell gingen nach Mátala. Die Musikerin soll um 1969 herum einige Tage in dem Hippie-Dorf verbracht haben. Ihre Zeit in den Höhlen soll sie im Song „Carey“ besingen. Auch über Bob Dylan wird gesagt, dass er Gefallen an dem ruhigen Ort gefunden haben soll. „Das ist wohl eher ein Gerücht“, meint Elzo Smid.
Dazu spielt das Fischerdorf in der griechischen Mythologie eine große Rolle. Hier soll Zeus die Prinzessin Europa an Land gebracht haben, nachdem er sie in Gestalt eines Stiers entführt hatte. Diese mythische Episode markiert den Beginn der kretischen Königslinie, da Europa die Mutter von Minos wurde, dem späteren König von Kreta.
Mátalas Veränderung: Heute reihen sich Hotels an Hotels
Mit der Zeit hat sich Mátala stark verändert. Zwar trifft man noch den ein oder anderen Alt-Hippie, der das Dorf zur neuen Heimat gemacht hat, allerdings ist die Stimmung der alten Zeiten verschwunden. „Als ich in den späten 90ern im Dorf war, sah es wie viele andere griechische Urlaubsorte aus“, berichtet Elzo Smid. „Einige Hotels, Restaurants und Strandliegen.“
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2011 wurde das Mátala Beach Festival ins Leben gerufen, was das Dorf veränderte, so Smid. Restaurants und Cafés nutzen jetzt die Hippie-Vergangenheit als Verkaufsstrategie. Kaum ein Artikel in den Souvenirshops wurde noch nicht mit Bob Marleys Gesicht und bunten Blumen bedruckt. Doch die ehemaligen Reisenden scheint es nicht zu stören: „Wir freuen uns für die Bewohner. So können sie mehr Geld einnehmen und sich von den anderen Dörfern abheben“, finden die Schwestern. Auch für Smid bleibt der Ort etwas Besonderes.
Zuerst zog das Festival überwiegend Alt-Hippies nach Mátala, mittlerweile gehört es zu den größten Festivals auf der Insel und findet jeden Sommer statt – dieses Jahr vom 5. bis zum 7. Juli. Am Wochenende davor werden die Straßen mit bunten Malereien bekleidet. Jeder und jede kann mitmachen und sich auf einem freien Fleck Asphalt verewigen.
Pam plant, nächstes Jahr mit einigen ihrer Töchter auf die Insel im Mittelmeer zurückzukehren. Ehemänner, Freunde und Kinder wurden in den vergangenen Jahren schon mehrfach mitgenommen, um sich einen besseren Eindruck von der bewegten Vergangenheit von Pam und Shirley zu verschaffen. „Wir erinnern uns immer gerne an unsere Zeit in den Höhlen mit all der Unbeschwertheit und dem Spaß“, sagt Shirley. „Wir hatten eine wundervolle Zeit.“
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Im Winter scheint das kleine griechische Dorf allerdings nahezu ausgestorben. Die einzigen Überbleibsel sind eine Handvoll Alt-Hippies in den wenigen geöffneten Cafés und eine Schaar an Katzen. „With golden brown, with golden brown“, geht das Lied von The Stranglers zu Ende – und setzt wieder von vorne an.
So teuer ist Urlaub in Mátala
Die Preise für Unterkünfte in Mátala variieren je nach Saison und Lage, beginnen aber oft schon bei etwa 30 Euro pro Nacht für einfache Pensionen. Mittelklassehotels kosten zwischen 50 und 100 Euro pro Nacht, während luxuriösere Optionen auch teurer sein können. Auch das Essen ist in Mátala relativ günstig. Traditionelle griechische Tavernen bieten Mahlzeiten für etwa 5 bis 20 Euro an. Der Flughafen Heraklion ist etwa eine Stunde von dem Urlaubsort entfernt.
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