Sydney. Letztes Jahr erhielt Richard Scolyer die Diagnose Hirntumor. Doch eine von dem Arzt selbst entwickelte Therapie rettete ihm das Leben.
Richard Scolyer ist in Australien ein bekannter Name. Erst im Januar wurde er zusammen mit seiner Forschungspartnerin Georgina Long als „Australier des Jahres“ ausgezeichnet. Der Grund: Die Forschungsarbeit der beiden Mediziner hat Tausenden von Melanom-Patienten das Leben gerettet. Der schwarze Hautkrebs gilt im sonnenverwöhnten Australien als Volkskrebs.
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Vor weniger als einem Jahrzehnt verlief die fortgeschrittene Version des Melanoms noch tödlich. Doch dank des Immuntherapie-Ansatzes von Long und Scolyer, der das eigene Immunsystem des Patienten aktiviert, um Krebszellen anzugreifen, ist es zu einer heilbaren Krankheit geworden.
Australischer Arzt erkrankt selbst an Krebs: Hatte „Angst“ um die Zukunft
Als bei jenem „Volkshelden“ im vergangenen Jahr dann selbst Krebs diagnostiziert wurde, war der Schock groß. Der 57-jährige Vater von drei Kindern hatte während einer Reise nach Polen einen Anfall erlitten, der schließlich zur Diagnose führte. Und die sah zunächst düster aus: Glioblastom, eine aggressive Krebsart mit einer durchschnittlichen Überlebensrate von zwölf Monaten.
Bisher bestand die Behandlung dieses Hirntumors aus einer operativen Reduktion der Tumormasse, Bestrahlung und Chemotherapie. Eine endgültige Heilung konnte bisher jedoch nicht erreicht werden. Die sehr aggressiven Hirntumore wuchsen trotz intensiver Therapie nach wenigen Monaten immer wieder nach.
Als Krebsforscher war sich Scolyer der Schwere seiner Diagnose bewusst. In einem im Juni veröffentlichten Video sagte er, er habe „Angst“ um seine Zukunft, sei aber „begeistert von der Unterstützung meiner Kollegen und Menschen auf der ganzen Welt, während ich mich auf meine Reise gegen den Krebs begebe“.
An Krebs erkrankter Arzt: Ohne Zögern „Patient Null“ geworden
Weltweit erkranken jährlich rund 300.000 Menschen an einem Hirntumor. Zahlreiche Australierinnen und Australier, darunter viele Krebspatienten und deren Angehörige, verfolgten in den Monaten nach Scolyers Diagnose die verschiedenen Etappen seiner Behandlung, die er in den sozialen Medien teilte. Auf Instagram hat der Mediziner mittlerweile fast 50.000 Follower, die mit ihm mitfiebern.
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Scolyer entschied sich, nicht den bisher üblichen Behandlungsweg zu gehen, sondern als „Patient Null“ einen Immuntherapie-Ansatz zu testen, der im Rahmen seiner eigenen Melanomforschung entwickelt worden war. Seine Forschungspartnerin, die Onkologin Georgina Long – wie Scolyer Direktorin des Melanoma Institute Australia –, adaptierte die Forschung zur Behandlung von Melanomen für die Behandlung von Hirntumoren.
Das Ganze war riskant und Scolyer war sich bewusst, dass er das „Versuchskaninchen“ für den neuartigen Ansatz war. Aber angesichts des aggressiven Hirntumors, der ihn töten würde, habe er nur „eine Millisekunde gebraucht, um zu sagen: ‚Ja, das ist es, was ich tun möchte‘“, wie er dem australischen Sender ABC sagte.
Krebs-Behandlung schlug an: bisher kein neues Wachstum
Etwas länger dauerte es, die zuständigen Behörden von der neuen Behandlungsmethode zu überzeugen, zu der es noch keine klinischen Studien gab. Doch auch das gelang, und obwohl die Behandlung durchaus schwierige Momente mit sich brachte – vor allem Anfang des Jahres litt Scolyer unter Krampfanfällen, Leberproblemen und einer Lungenentzündung – schlug sie letztendlich gut an.
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Im Mai schrieb der Mediziner in einem Instagram-Post, dass ein kürzlich durchgeführter Scan kein neues Krebswachstum gezeigt habe. Eine MRT-Untersuchung des Gehirns nach wiederkehrenden Glioblastomen habe gezeigt, dass es weiterhin keine Anzeichen für einen Rückfall gebe. „Ich könnte nicht glücklicher sein!“, schrieb er. „Vielen Dank an das großartige Team, das sich so gut um mich gekümmert hat, insbesondere an meine Frau Katie [und] die wundervolle Familie!“
Zuvor hatte er sich gegenüber der ABC bereits „überwältigt“ vom bisherigen Erfolg gezeigt. „Das ist nicht das, was ich erwartet hatte.“ Die durchschnittliche Zeit, in der die schwere Art von Hirntumor, an der er leide, wieder auftrete, betrage sechs Monate. Wie weit er es schon geschafft habe, sei „erstaunlich“.
Die experimentelle Therapie Scolyers startete mit einer speziellen Kombinationsimmuntherapie, die zwölf Tage vor der Operation angewendet wurde. Bei der Operation wurde dann so viel Tumor wie nur möglich entfernt. Anschließend erhielt der Australier eine Bestrahlung, eine weitere Immuntherapie sowie einen personalisierten Impfstoff.
Fall gibt Betroffenen Hoffnung: „Sie sind unser Held“
Inzwischen arbeiten seine Kolleginnen und Kollegen bereits an der Entwicklung von Protokollen für den Beginn klinischer Studien. Wenn die Ergebnisse dieser Studien überzeugend ausfallen, könnte das bisherige Behandlungsmethoden auf den Kopf stellen.„Hoffentlich führt es zu besseren Ergebnissen, nicht nur für mich, sondern für alle Hirntumorpatienten“, sagte Scolyer. Seine Kollegin Long warnte jedoch in einem Interview, dass der Ansatz „nicht bei jedem funktionieren“ werde, da jeder Krebs anders sei. Es brauche noch viel Arbeit. „Denn es ist gefährlich, einen Einzelfall zu nehmen und diesen auf andere anzuwenden.“
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Ob der Mediziner, der inzwischen wieder Radrennen fährt und joggt, wirklich geheilt ist, steht noch nicht fest – es besteht noch immer die Möglichkeit, dass der Krebs zurückkehrt. Dennoch hat seine Erfolgsgeschichte vielen anderen Krebspatientinnen und Krebspatienten und ihren Angehörigen Hoffnung gegeben. „Alles Gute, Richard“, schrieb eine Userin auf der Facebook-Seite des Australiers. „So viele Menschen folgen Ihrer Reise und beten, dass Sie Ihren Krebs besiegen, für Ihr Wohlergehen und für das zukünftiger Leidender.“ Als Partnerin eines Patienten, der sich einer Immuntherapie unterziehe, sei seine Ehrlichkeit eine Wohltat. „Sie sind unser Held!“, beendete sie ihren Post.