Berlin. Recherchen enthüllen Jan Marsaleks Geheimidentität und zeigen, dass der Ex-Wirecard-Vorstand für russische Geheimdienste aktiv war.
Der in ganz Europa gesuchte Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek war offenbar jahrelang als russischer Spion aktiv. Das zeigen Recherchen von ZDF, „Spiegel“, dem österreichischen „Standard“ und der russischen Investigativplattform The Insider, die auch Marsaleks seit September 2020 verwendete Geheimidentität enthüllten.
So hat Marsalek offenbar die Identität des russischen Priesters Konstantin Bajazow angenommen, der in der Stadt Lipezk (rund 500.000 Einwohner) 375 Kilometer südöstlich von Moskau lebt. Er sieht nahezu identisch aus wie Marsalek, beide Geburtsdaten trennen nur ein Jahr. Das ZDF konnte den echten Bajazow telefonisch erreichen, der Priester wollte aber keine Fragen beantworten: „Ich habe Ihnen gesagt, dass Sie als Journalist begreifen müssen, dass wir nicht mit Ihnen reden können.“
Jan Marsalek hat wohl schon seit 10 Jahren Kontakte zu russischen Geheimdiensten
Marsaleks russische Geliebte Natalia Zlobina soll dem Österreicher zunächst Kontakte zu russischen Geschäftsleuten und später auch zu Moskaus Geheimdiensten vermittelt haben. Am 6. Juli 2014 soll sie ihm auf einer Geburtstagsfeier in Nizza Stanislaw Petlinsky vorgestellt haben, der als „verlängerter Arm“ der russischen Geheimdienste gilt.
Der wiederrum führt Marsalek zu Anatoliy Karaziy, den Geheimdienstchef der Söldner-Truppe Wagner. Am 5. Mai 2017 haben sich Marsalek, Petlinsky und Karaziy in München getroffen und sind von dort aus nach Syrien geflogen, wo sie dem gemeinsamen Krieg der Wagner-Truppen, russischen und syrischen Soldaten gegen Dschihadisten beiwohnten. Marsalek soll vom Krieg „fasziniert“ gewesen sein und posiert auf einem Bild lächelnd mit Sturmgewehr und schusssicherer Weste.
Marsalek war mit Komplizen beim Syrien-Krieg vor Ort
„Spiegel“-Reportern gelang es, in einem Luxushotel in Dubai mit Petlinsky über seine Verbindung zu Marsalek zu sprechen. Der Russe sagte, Marsalek sei „besessen von der Spionagewelt“. Er bestätigte den gemeinsamen Syrien-Trip gegenüber dem Spiegel. Petlinsky war demnach auch regelmäßiger Gast in Marsaleks Büro in München gegenüber dem russischen Generalkonsulat, wo sich der Ex-Wirecard-Vorstand immer wieder mit einflussreichen Personen getroffen hatte.
Einer davon war ein ehemaliger Mitarbeiter des österreichischen Verfassungsschutzes, der laut Sonderermittlern des österreichischen Innenministeriums als Spion für Marsalek arbeitete. Laut deren Bericht seien die Ziele „gezielte Aufklärung und Lokalisierung von Personen“, die „Beschaffung von Akten“, sowie die „gezielte Einflussnahme auf Regierungs- und Parteimitglieder im Sinne russischer Interessen“ gewesen. Die Akten besagen, dass Marsalek Teil einer „nachrichtendienstlichen Zelle, derer Kapazitäten und Fähigkeiten sich russische Nachrichtendienste bedient“ hätten, war.
Jan Marsalek ist ehemaliger Vorstand des deutschen Zahlungsdienstleisters Wirecard. 2020 wurde ein riesiger Betrugsskandal des Unternehmens aufgedeckt, der Wirecard in die Insolvenz führte. Marsalek flüchtete daraufhin – möglicherweise nach Russland. Noch immer wird weltweit nach ihm gefahndet.