Rerik/Berlin. Vor der Küste Mecklenburgs haben Forscher eine fast einen Kilometer lange Mauer gefunden. Sie ahnen, wozu sie gedient haben könnte.

Ein Sensationsfund zehn Kilometer vor der Küste elektrisiert derzeit die Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung. Auf dem Meeresgrund, in 21 Meter Tiefe, entdeckten Forscher einen Steinwall – 970 Meter lang, zwei Meter breit und bis zu einem Meter hoch. Die Konstruktion soll nach ersten Erkenntnissen etwa 11.000 Jahre alt sein, wie Experten des Leibniz-Instituts in Warnemünde, der Universität Rostock und der Christian Albrechts-Universität zu Kiel am Montagabend gemeinsam mitteilten. Laut eines Mitarbeiters des Landesamts für Kultur und Denkmalpflege handelt es sich bei dem Wall nordwestlich des Ortes Rerik um die ältesten Spuren eines menschlichen Bauwerks, die in der Ostseeregion bislang entdeckt wurden.

Wie die Wissenschaftler weiter erklärten, besteht die Struktur aus etwa 1500 Steinen, viele so groß wie Tennis- oder Fußbälle. Dazwischen befinden sich mehrere Findlinge. Taucher waren bereits 2021 auf die Mauer aufmerksam geworden. Genauere Erkenntnisse darüber gibt es aber erst jetzt. So fanden die Wissenschaftler heraus, dass die Mauer neben einer Vertiefung liegt, vermutlich einem ehemaligen See.

Archäologie: Forscher vermuten weitere Steinwälle in der Ostsee

Die Wissenschaftler des Leibniz-Instituts vermuten, dass der Wall errichtet wurde, um Rentiere zu jagen. Diese lebten bis vor etwa 11.000 Jahren in der Gegend. Danach änderte sich das Klima, es wurde wärmer und die Tiere verschwanden. Nach der letzten Eiszeit vor 8500 Jahren stieg der Wasserspiegel und überflutete das Gelände. Der Wall könnte nicht der einzige in der Mecklenburger Bucht sein, glauben die Wissenschaftler. Jens Schneider von Deimling von der Universität Kiel zeigt sich überzeugt, dass dort bald weitere ähnliche Anlagen gefunden werden könnten.

Derzeit laufen auf dem Meeresgrund weitere Untersuchungen. Die Forscher wollen mittels des Lumineszenzverfahrens die Datierung der Mauer noch genauer bestimmen. Das Verfahren wird in der Archäologie bereits seit einiger Zeit eingesetzt. Es liefert Hinweise darauf, wann die Steine das letzte Mal dem Sonnenlicht ausgesetzt waren.

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Daneben könnte der Steinwall weitere Erkenntnisse über die Lebensweise und das Jagdverhalten der Menschen vor etwa 10.000 Jahren liefern. Die Technik, Tiere mithilfe von Mauern in die Enge zu treiben, ist auch aus anderen Weltgegenden bekannt. So konnten Forscher in einem See in Michigan eine Steinmauer nachweisen, die für die Treibjagd auf Karibus errichtet wurde.

tok/dpa/afp