Berlin. Schauspielerin Anne Ratte-Polle begegnet Unsicherheit mit Gelassenheit. Egal ob im Job oder in Zusammenstößen mit dem Ordnungsamt.
Anne Ratte-Polle ist nicht nur eine feste Größe in der Berliner Theaterszene, sondern auch immer wieder in hochkarätigen Film- und Fernsehprojekten zu sehen. So auch in Dominik Grafs Film „Mein Falke“ (ARD-Ausstrahlung am 13. Dezember um 20.15 Uhr), in dem sie als Biologin versucht, einen Falken zu zähmen. Erfahrungen mit Tieren und der Natur sind der 49-jährigen Schauspielerin auch im echten Leben wichtig, ebenso wie ihre tägliche Yoga-Einheit. Im Alltag übt sie sich in Gelassenheit – auch bei unliebsamen Begegnungen mit dem Berliner Ordnungsamt.
Die offensichtlichste Frage zuerst: Wie war die Erfahrung mit dem Falken?
Anne Ratte-Polle: Es war auf jeden Fall eine sehr bereichernde Erfahrung, diesem Wildvogel zu begegnen. Ich habe mit drei verschiedenen Falken gedreht und jeder hatte bei näherer Betrachtung seine ganz eigene Persönlichkeit. Das war sehr faszinierend. Zur Vorbereitung habe ich einen Falkenhof in Potsdam besucht, wo man mit den Vögeln Spaziergänge machen kann.
Das ist schon sehr besonders, so ein Tier auf dem Arm zu halten. Die reagieren auf alles, man muss also sehr ruhig sein und innerlich mit ihnen in Kontakt kommen. Dadurch entsteht eine seltsame Übereinstimmung. Auf allen Fotos, die von mir gemacht wurden, haben der Vogel und ich einen ähnlichen Gesichtsausdruck, als würden wir das Gleiche denken.
Anne Ratte-Polle: „Ich brauche generell Natur“
Vermissen Sie die Erfahrung?
Ratte-Polle: Auf jeden Fall. Ich kann auch wirklich jedem, jung oder alt, einen Besuch auf so einem Falkenhof, speziell den in Potsdam, ans Herz legen. Ich liebe generell Tiere: Hunde, Katzen, Pferde … Ich bin nur so viel auf Reisen, dass ich mich leider nicht wirklich drum kümmern könnte. Das einzige, was es bei mir zu Hause gibt, sind die Motten, die ich immer vergraule. Aber ich brauche generell Natur, deshalb bin ich einmal pro Woche im Wald.
Der Beruf erfordert viel Konzentration und Energie. Man muss irgendwo auftanken und das geht am schnellsten in der Natur. Dafür gibt es auch eine wissenschaftliche Erklärung. In der Natur gibt es keine perfekten, geraden Linien. Und alles, was nicht gerade ist, sondern etwas gekrümmt, entspannt den Geist, weil das Gehirn kein System erkennen kann, also hört es auf zu denken und lässt los.
Auch Ihre Filmfigur muss lernen, loszulassen und sich zu trennen. Wie schaffen Sie das?
Ratte-Polle: Das ist ein ewiges Thema. Loslassen ist gut, wenn man es kann. Ich übe es täglich beim Yoga. Nichts bleibt, nichts ist für die Ewigkeit. Das versuche ich mir ständig bewusst zu machen. Natürlich passiert es schon mal, dass ich mit dem linken Fuß aufstehe und mir denke: ‚Das kann doch wohl nicht wahr sein?!‘ Aber dann sage ich mir: ‚Lass es los. Das ist verschwendete Energie.‘
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Haben Sie ein Beispiel dafür, wie Sie das erfolgreich geschafft haben?
Ratte-Polle: Heute Morgen. Da bin ich auf dem Fahrrad zu einem Termin gefahren. Ich war in der Schönhauser Allee unterwegs, als sich mir zwei Leute vom Ordnungsamt winkend in den Weg gestellt haben. – ‚Was ist denn?‘ – ‚Drehen Sie um, das ist jetzt neuerdings eine Einbahnstraße.‘ Diese Straße ist seit Ewigkeiten eine meiner Hauptverkehrswege. Umzudrehen, hätte eine Riesenverspätung bedeutet. Außerdem war die Straße frei. Aber ich bin natürlich abgestiegen und habe geschoben.
Ich dachte mir: Es wäre Quatsch, sich aufzuregen. Lieber loslassen. Das gilt vor allem bei Streitigkeiten. Da ist es schon wirklich sehr ratsam, sich nicht von seinen Emotionen leiten zu lassen, und nicht immer auf sein Recht zu pochen, selbst wenn man recht hat. In der Ruhe liegt die Kraft, wie es so schön heißt.
Schauspielerin Ratte-Polle: So ähnlich ist sie ihrer neusten Rolle
Ihre Figur in „Mein Falke“ steigert sich so richtig in ihren Beruf als forensische Biologin hinein. Sind Sie da bei der Schauspielerei entspannter?
Ratte-Polle: Na ja, ich würde sagen, sie geht den Dingen auf den Grund und das versuche ich beim Spielen auch. Daneben ist ihr aber auch bewusst, dass ihr Blick als Biologin durchs Mikroskop eine Schönheit offenbart, die sich dem normalen Blick entzieht. Und diese Welt nutzt sie vielleicht auch als eine Art Rückzugsort oder Fluchtpunkt vor den Konflikten des Alltags. Auch das ist mir nicht ganz unbekannt.
Aber ein Grundunterschied zwischen Inga und mir liegt wohl auch in unseren Persönlichkeiten: Während Inga eher die gewohnten Spuren verfolgt, suche ich geradezu nach Dingen, die ich noch nicht erlebt habe, und das ist das, was mein Beruf mit all seinen ständigen Wechseln von Orten, Zeiten und Kolleginnen und Kollegen absolut mit sich bringt.
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Doch die ständige Abwechslung des Schauspielerberufs bringt auch Unsicherheit mit sich. Können Sie damit gut umgehen?
Ratte-Polle: Das muss man in diesem Beruf. Ich denke, zur Not mache ich was anderes. Not hat auch ein kreatives Potenzial an sich, sie regt an. Angst ist ein schlechter Ratgeber, dann müsste ich in einem festen Ensemble oder in einer festen Serie spielen. Beides kann auch sehr gut sein, wenn die Bedingungen stimmen. Nur wäre es für mich nie gut, wenn es hierbei in erster Linie um Sicherheitsdenken geht. Mich hat bisher eher das Riskante gereizt. Ich liebe es, unabhängig zu sein und immer wieder neu zu gucken, was kommt. Das erweitert den Blick für Möglichkeiten.
Was ist das Riskanteste, was Sie in den letzten ein, zwei Jahren gemacht haben?
Ratte-Polle: Ich habe zum Beispiel den Film „Un été comme ça“ in Kanada gedreht, weil ich unbedingt mit dem Regisseur, Denis Côté, arbeiten wollte. Dafür musste ich aber auch, wie ich versprochen hatte, Französisch lernen. Ich bin heute noch stolz, dass ich das geschafft habe. Und privat hatte ich eine Begegnung, bei der ich dachte: ‚Wow, so etwas habe ich noch nicht erlebt.‘ Aber mehr möchte ich dazu nicht sagen (lacht).
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