Seit Dienstagabend besucht die Queen Berlin. Die Queen und Deutschland – dieses Verhältnis ist vielschichtig.

Es war wie im Märchen – nur war alles viel schöner, denn alles war Wirklichkeit.“ So schrieb das Hamburger Abendblatt über den 28. Mai 1965, als Königin Elizabeth II. und Prinz Philip für zwölf Stunden Hamburg besuchten. 70.000 Menschen auf dem Rathausmarkt jubelten der Monarchin und ihrem Mann auf dem Rathausbalkon zu. Tausende säumten den Klosterstern, als die Queen im offenen Wagen vorbeifuhr. Die Kinder hatten schulfrei.

Queen Elizabeth II. in Deutschland

Kanzlerin Angela Merkel hat am Mittwoch Queen Elizabeth II. in Berlin begrüßt
Kanzlerin Angela Merkel hat am Mittwoch Queen Elizabeth II. in Berlin begrüßt © Getty Images | Pool
Royale Fans warteten am Donnerstag in Frankfurt am Main ungeduldig auf die Ankunft der Queen
Royale Fans warteten am Donnerstag in Frankfurt am Main ungeduldig auf die Ankunft der Queen © dpa | Christoph Schmidt
Am Mittwochabend gab Bundespräsident Joachim Gauck zu Ehren der britischen Königin ein Staatsbankett im Schloss Bellevue
Am Mittwochabend gab Bundespräsident Joachim Gauck zu Ehren der britischen Königin ein Staatsbankett im Schloss Bellevue © dpa | Michael Kappeler
Queen Elizabeth II, Prinz Philip, Bundespräsident Joachim Gauck und seine Partnerin Daniela Schadt beim feierlichen Empfang im Schloss Bellevue
Queen Elizabeth II, Prinz Philip, Bundespräsident Joachim Gauck und seine Partnerin Daniela Schadt beim feierlichen Empfang im Schloss Bellevue © Getty Images | Pool
Unter den Gästen waren auch Angela Merkel und ihr Mann Joachim Sauer
Unter den Gästen waren auch Angela Merkel und ihr Mann Joachim Sauer © Getty Images | Sean Gallup
Bootstur auf der Spree: Queen Elizabeth II. und ihr Gatte Prinz Philip mit Joachim Gauck und Lebensgefährtin Daniela Schadt
Bootstur auf der Spree: Queen Elizabeth II. und ihr Gatte Prinz Philip mit Joachim Gauck und Lebensgefährtin Daniela Schadt © Getty Images | Carsten Koall
Royale Fans bejubelten die Queen vom Ufer der Spree aus
Royale Fans bejubelten die Queen vom Ufer der Spree aus © Getty Images | Carsten Koall
Meet and greet mit der Queen in Berlin
Meet and greet mit der Queen in Berlin © Getty Images | Pool
Auf dem tagesprogramm der Queen stand in Berlin unter anderem ein Besuch der Technischen Universität Berlin
Auf dem tagesprogramm der Queen stand in Berlin unter anderem ein Besuch der Technischen Universität Berlin © Getty Images | Pool
Die Britische Queen (l) und Bundeskanzlerin Angela Merkel sind nun auch im Berliner Legoland als Legofiguren vor dem Brandenburger Tor aus Spielzeugsteinen verewigt
Die Britische Queen (l) und Bundeskanzlerin Angela Merkel sind nun auch im Berliner Legoland als Legofiguren vor dem Brandenburger Tor aus Spielzeugsteinen verewigt © dpa | Paul Zinken
Da sind sie: Queen Elizabeth II. und Prinz Philip am Dienstag auf dem Weg ins Berliner Hotel Adlon
Da sind sie: Queen Elizabeth II. und Prinz Philip am Dienstag auf dem Weg ins Berliner Hotel Adlon © dpa | Jörg Carstensen
Gebanntes Warten auf die Queen
Gebanntes Warten auf die Queen © dpa | Stephanie Pilick
Zuvor landeten sie auf dem Berliner Flughafen Tegel
Zuvor landeten sie auf dem Berliner Flughafen Tegel © dpa | Kay Nietfeld
Polizisten auf Motorrädern, die sogenannten weißen Mäuse, eskortieren die britische Königin vom Flughafen zum Hotel Adlon
Polizisten auf Motorrädern, die sogenannten weißen Mäuse, eskortieren die britische Königin vom Flughafen zum Hotel Adlon © dpa | Kay Nietfeld
Die Queen und ihr Mann halten sich zu ihrem fünften Staatsbesuch in Deutschland auf
Die Queen und ihr Mann halten sich zu ihrem fünften Staatsbesuch in Deutschland auf © dpa | Michael Kappeler
Die Eskorte durch Berlin. Im Hintergrund die Siegessäule
Die Eskorte durch Berlin. Im Hintergrund die Siegessäule © dpa | Wolfgang Kumm
Der rote Teppich für die royalen Gäste am Hotel Adlon
Der rote Teppich für die royalen Gäste am Hotel Adlon © dpa | Jörg Carstensen
Ein Motorrad der Polizisten-Eskorte ist vor dem Hotel Adlon umgefallen
Ein Motorrad der Polizisten-Eskorte ist vor dem Hotel Adlon umgefallen © dpa | Jörg Carstensen
Die britische Königin Elizabeth II. und Prinz Philip bei ihrer Ankunft in Berlin
Die britische Königin Elizabeth II. und Prinz Philip bei ihrer Ankunft in Berlin © dpa | Kay Nietfeld
Darf niemals fehlen: die schwarze Handtasche der Queen
Darf niemals fehlen: die schwarze Handtasche der Queen © dpa | Michael Kappeler
Soldaten stehen Spalier für die königlichen Gäste
Soldaten stehen Spalier für die königlichen Gäste © dpa | Kay Nietfeld
Das Flugzeug der Queen beim Landeanflug
Das Flugzeug der Queen beim Landeanflug © dpa | Kay Nietfeld
1/22

Dieses Mal ist es leider anders. Hamburg steht nicht auf der Liste der Orte, die die Königin bei ihrer fünften und vielleicht letzten Staatsvisite in Deutschland (schließlich ist die Dame schon 89 Jahre alt) besucht. Hauptsächlich ist sie in Berlin unterwegs, fährt mit dem Boot auf der Spree, speist mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundespräsident Joachim Gauck im Schloss Bellevue, trifft beim britischen Botschafter Simon McDonald rund 600 Gäste auf der Gartenparty, bei der auch ihr Geburtstag nachgefeiert wird.

Während ihres ersten Aufenthalts in Frankfurt wird sie die Paulskirche besichtigen und sich ins Goldene Buch der Stadt eintragen.

Bundeskanzler Helmut Schmidt (r.)
empfing die Queen 1978
Bundeskanzler Helmut Schmidt (r.) empfing die Queen 1978 © dpa

Und schließlich besucht sie auf eigenen Wunsch das ehemalige Konzentrationslager Bergen-Belsen. Es wurde im April 1945 von britischen Soldaten befreit, wenige Wochen zuvor starb dort Anne Frank. 20 Minuten hat Elizabeth II. in der Gedenkstätte, um einen Kranz niederzulegen und mit Veteranen sowie ehemaligen Häftlingen zu sprechen. Anschließend fliegt sie vom Militärflughafen Celle zurück nach London. Das Wochenende kann sie dann wieder auf Schloss Windsor oder Schloss Sandringham verbringen und mit Ehemann Philip über die Tage in „Good old Germany“ sinnieren.

Als Kind hatte Elizabeth in London die deutschen Bombenangriffe erlebt

Die Queen und Deutschland – dieses Verhältnis ist vielschichtig. Wie ihr Mann Philip Mountbatten (der anglisierte Familiennamen Battenberg der britischen Familie seiner Mutter) hat sie deutsche Vorfahren. Das Haus Hannover stellte englische Monarchen, Queen Victorias Ehemann Prinz Albert stammte aus dem Haus Sachsen-Coburg und Gotha. Wegen des innenpolitischen Drucks während des Ersten Weltkrieges aufgrund der deutschen Abstammung und der Verwandtschaft der königlichen Familie mit einem regierenden landesfürstlichen Haus des Deutschen Kaiserreichs änderte König Georg V. am 17. Juli 1917 den anglisierten deutschen Namen Saxe-Coburg and Gotha, den die Familie seit 1840 trug, in den jetzigen Namen Windsor.

Als Kind erlebte Elizabeth die deutschen Bombenangriffe auf London und grüßte 1940 in ihrer ersten Rundfunkansprache ihre Altersgenossen, die aus den Städten evakuiert worden waren. Und ihre große Liebe Philip war nicht unumstritten: Seine Schwestern waren mit deutschen Adligen verheiratet, die Verbindungen zu den Nationalsozialisten hatten. Sie wurden deshalb auch nicht zur Hochzeit im November 1947 eingeladen. Elisabeths Mutter soll sich anfänglich gegen die Vermählung ausgesprochen und Philip als „Hunnen“ bezeichnet haben (ein englisches Schimpfwort für Deutsche). In späteren Jahren nannte sie ihn jedoch einen „englischen Gentleman“.

Lange Jahre hat die Queen dem Deutschen Karl-Ludwig Rehse vertraut: Er schneiderte ihre Garderobe, schuf Abendkleider und Mantel-Kleid-Kombinationen in leuchtenden Farben, damit Elizabeth überall gut zu sehen ist. Und wenn die Königin zu Hause auf einem ihrer Schlösser privat ein Glas Wein trinkt, dann bevorzugt eine blumige Spätlese aus Hochheim am Main.

Die 89-Jährige gehört zu Großbritannien wie Big Ben, die Tower Bridge, Fish ‘n’ Chips und Popmusik. Niemand ihrer Untertanen, der jünger als 63 Jahre ist, und auch wir Deutschen haben je auf der Insel ein anderes Staatsoberhaupt erlebt als „Ihre Majestät Elizabeth II., von Gottes Gnaden Königin des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Nordirland sowie Ihrer sonstigen Reiche und Besitzungen, Oberhaupt des Commonwealth, Verteidigerin des Glaubens“.

Die Monarchin traf 1992 in Leipzig Teilnehmer
der Montagsdemonstrationen
Die Monarchin traf 1992 in Leipzig Teilnehmer der Montagsdemonstrationen © picture alliance

Eine Königin hat auch immer etwas Märchenhaftes an sich. Rauschende Feste und exklusive Speisen, Roben und Orden, Krone und Brillanten, nie selbst putzen oder waschen, Dienstwagen und Kutschen stets zur Hand. Wir sehen gern diese Bilder, uns gefallen Prinzen und Prinzessinnen, der repräsentative Glanz eines Königshauses. Ein Bundespräsident und seine Gefährtin haben nicht halb so viel davon, auch wenn ein Schloss der Dienstsitz des deutschen Staatsoberhauptes ist.

Die Monarchie und damit die Queen sind in ihrer Bedeutung etwas „Größeres als Politik“, sagt Robert Lacey, derzeit der bedeutendste Experte für das englische Königshaus. „Premierminister kommen und gehen – von Winston Churchill bis David Cameron hat die Queen mittlerweile zwölf erlebt, aber sie bleibt.“ Bei ihren Deutschland-Besuchen hat sie bisher die Bundeskanzler Ludwig Erhard, Helmut Schmidt, Helmut Kohl und Gerhard Schröder und jetzt Angela Merkel begrüßt.

Als Klebstoff für Großbritannien ist die Monarchie unverzichtbar. Elizabeth II. sei für die Briten die personifizierte Klammer des alten ,Britannia rules the waves‘ und des modernen Englands, das in seiner jüngeren Geschichte mit so vielen Traditionen gebrochen und das so viele wirtschaftliche Radikalkuren ertragen habe, sagt Lacey. „Die Queen ist für die Briten das Sinnbild für Ausdauer, Beständigkeit und Pflichterfüllung, für eine tadellose Arbeitsmoral.“

Und die Monarchin hatte – wie bürgerliche Familien – auch Krisen zu meistern. Die Ehen von drei ihrer vier Kinder scheiterten, auf Schloss Windsor richtete ein Feuer großen Schaden an, ihr Umgang mit dem Tod von Prinzessin Diana 1997 erschütterte den Glauben an die Monarchie.

Daraus hat die Queen gelernt, denn sie weiß, dass ihre eigene Bedeutung nur aus dem Amt entsteht. „Und sie hat großen Respekt vor der Monarchie als Institution“, sagt Lacey. Aber ohne Marketing geht es nicht. Heute gibt der Internet-Auftritt des Königshauses (www.royal.gov.uk) Einblicke in Leben und Arbeit in den Schlössern und Palästen. Der viel zitierte Satz des britischen Verfassungsrechtlers Sir Walter Bagehot aus dem 19. Jahrhundert, wonach auf den „Mythos der Monarchie kein Tageslicht fallen darf“, ist längst ad acta gelegt.

Und eigentlich niemand hätte je gedacht, dass Elizabeth II. einmal zum „unvergesslichsten Bond-Girl aller Zeiten“ avancieren würde. Während der Eröffnungsfeier für die Olympischen Spiele in London am 27. Juli 2012 wurde der von Danny Boyle gedrehte Kurzfilm „Happy and Glorious“ gezeigt, in dem sich die Königin selbst spielte, an der Seite von Daniel Craig in der Rolle des Geheimagenten James Bond. Selbst die Prinzen William und Harry hatten ihrer Großmutter so einen Auftritt nicht zugetraut, wie sie danach im BBC-Frühstücksfernsehen zugaben.

Wäre die Königin Französin, wäre sie chic. Wäre sie Amerikanerin, würde sie sich zehn Jahre jünger machen. Aber sie ist britisch, und das bis auf die Knochen. Sie mag mild gewürztes Essen – auf dem Kontinent eine Umschreibung für „fade“, Gummistiefel und Kopftücher, Pferde und Corgies, Landrover und Rätsel in der „Times“. Wäre ihr Onkel Edward am 11. Dezember 1936 nicht zurückgetreten und sie damit zur Kronprinzessin avanciert, dann würde sie heute das behagliche Leben einer pensionierten Lady auf dem Land führen.

Aber Rente, Aufhören und Rücktritt zugunsten von Kronprinz Charles, 66, sind für Elizabeth kein Thema. „Ich werde dienen – ein Leben lang“, versprach sie an ihrem 21. Geburtstag den Menschen im Empire. Das Empire ist Geschichte, aber die Queen bleibt die Queen als Symbol zeitloser Stabilität. „Sie zeigt keinerlei Ermüdungserscheinungen, der Job hält sie fit“, ist Robert Lacey überzeugt.

2004 besuchte Elizabeth II. das Krongut
Bornstedt in Potsdam
2004 besuchte Elizabeth II. das Krongut Bornstedt in Potsdam © picture alliance

Der königliche Besuch vor 50 Jahren in Hamburg endete mit der Abreise von Elizabeth und Philip auf der königlichen Yacht „Britannia“. Das Paar stand an der Reling und winkte, mehr als 200.000 Menschen säumten das Elbufer. „Staatsbesuch des Jahrhunderts“ schrieb damals das Abendblatt.

Für den damaligen Ersten Bürgermeister Paul Nevermann (SPD) wurde die royale Visite zur hamburgischen Staatsaffäre. Nevermann lebte von seiner Frau Grete getrennt, diese wollte für das Protokoll nicht die Frau an seiner Seite geben. Ilse Engelhard, Gattin des damaligen Zweiten Bürgermeisters Edgar Engelhard, sprang ein. Wegen seiner privaten Verwerfungen trat Paul Nevermann ein paar Tage später als Hamburger Regierungschef zurück.

Für die alte Dame aus London mit den deutschen Vorfahren ist das wie gesagt keine Option. Am 10. September wird sie ihre Urgroßmutter Queen Victoria nach 63 Jahren und 217 Tagen als am längsten amtierende Monarchin ihres Landes einholen.