Kathmandu. Er überlebte schon das große Beben 1934. Auf beliebter Wanderroute 51 Leichen geborgen. Nepalesen twittern ihren Ärger über indische Helfer.
Es grenzt an ein Wunder: Sieben Tage nach dem Erdbeben in Nepal haben Rettungskräfte einen 101-Jährigen lebend aus den Trümmern geborgen. Der alte Mann sei am Sonnabend aus der Ruine seines Hauses gerettet und in ein Krankenhaus gebracht worden, sagte ein Polizeisprecher am Sonntag. Bei dem Erdbeben der Stärke 7,8 am vergangenen Sonnabend waren mehr als 7000 Menschen ums Leben gekommen. Trotz der Bemühungen von Bergungsteams aus 20 Ländern war zuvor seit Donnerstag niemand mehr lebend aus den Trümmern geborgen worden. Die Regierung in Kathmandu rechnete daher eigentlich nicht mehr damit, noch weitere Überlebende zu finden.
Der greise Mann hat in den Überresten des Lehmhauses im Dorf Kimtang im Distrikt Nuwakot gelegen. Er ist per Helikopter in ein Krankenhaus gebracht worden. Nach Expertenangaben hat der Mann schon das vorherige schwere Erdbeben in Nepal im Jahr 1934 miterlebt. Ein heute geborenes Kind in Nepal hat nach Angaben des Kinderhilfswerks Unicef eine Lebenserwartung von 68 Jahren – vor 100 Jahren war diese noch viel geringer. Zahlreiche alte Menschen in Südasien kennen ihr genaues Alter nicht, weil der Tag der Geburt seinerzeit selten erfasst wurde.
Nur wenige Stunden vor der Rettung des Greises war bekannt geworden, dass drei weitere Menschen das Beben überlebten. Soldaten und Polizisten hätten am Sonntag zwei Frauen und einen Mann ausgegraben, erklärte die Polizei.
Nördlich von Kathmandu ging eine Schlammlawine über eine beliebte Wanderroute im Langtang-Tal nieder. Dort wurden jetzt 51 Leichen ausgegraben, darunter ein Franzose, ein Inder und vier weitere, nicht identifizierte Ausländer, wie der Verwaltungsbeamte Gautam Rimal sagte. Unter den Toten seien zudem nepalesische Führer, Hotelbesitzer und Träger.
Das bitterarme Nepal tut sich nach wie vor schwer, mit den Folgen der Katastrophe fertig zu werden. Nach Uno-Angaben stürzten bei dem Erdbeben mehr als 130.000 Häuser ein. Über ein Viertel der nepalesischen Bevölkerung, 8,1 Millionen Menschen, sei von dem Beben direkt betroffen. Informationsminister Minendra Rijal sagte, Nepal benötige 400.000 Zelte für Obdachlose.
Tausende Opfer bei Jahrhunderterdbeben in Nepal
Indien sagte am Sonntag 100.000 Zelte zu, doch kam eine weitere Hiobsbotschaft vom Flughafen Kathmandu: Der einzige internationale Airport des Landes wurde wegen Schäden an der einzigen Rollbahn für große Militär- und Frachtmaschinen geschlossen. Die Bahn sei nur für mittelgroße Jets gebaut, sagte Flughafenmanager Birendra Shrestha. Nepal bat die Spender, kleinere Maschinen zu nutzen.
Viele Nepalesen sind derweil sauer über die Erdbeben-Berichte der Fernsehteams aus dem Nachbarland Indien. In den indischen Medien gewinne der Zuschauer den Eindruck, als habe die Regierung in Neu Delhi die Nepalesen ganz alleine gerettet, heißt es am Sonntag auf der nepalesischen Online-Nachrichtenseite Pahilopost. Tatsächlich unterstützt Indien den kleinen Nachbarn mit vielen Tonnen an Hilfsgütern, Truppen und Helikoptern.
Tausende Nepalesen machten ihrem Ärger via Twitter Luft. Der Hashtag #GoHomeIndianMedia (Indische Medien, geht nach Hause) war zeitweise das am zweithäufigsten benutzte Twitter-Schlagwort in Nepal und das am häufigsten benutzte in Indien. Viele Nepalesen beklagen seit Langem, dass Indien seine Einflusssphäre zur stark ins Himalaya ausdehne.
„Die unmoralische, völlig überdrehte, nicht auf Fakten basierende, alles dominierende Berichterstattung der indischen Medien ist in keiner Weise hinnehmbar“, twitterte ein aufgebrachter Mann. Und der bekannte indische Journalist Shekhar Gupta schrieb in seinem Account: „Die "patriotischen" TV-Sender vergessen, dass Nepal kein indischer Bundesstaat ist.“ (HA/dpa/rtr)