Hamburg/Montabaur. Die Hintergründe des Absturzes eines Germanwings-Airbus schockieren die Welt. Was für ein Mensch war der Co-Pilot Andreas L.?

Was für ein Mensch war Andreas L.? Dies fragen sich viele, seit bekannt ist, dass der aus Montabaur stammende Co-Pilot den Germanwings-Airbus offensichtlich absichtlich den Tod von 149 andere Menschen herbeiführte. Hinweise auf die bevorstehende Wahnsinnstat scheinen weder sein Arbeitgeber Germanwings noch sein Fliegerverein LSC Westerwald bei dem 1987 geborenen Piloten wahrgenommen zu haben.

Klaus Radke, Vorsitzender des Fliegervereins LSC Westerwald, beschreibt L. als „ganz normalen jungen Menschen“, als „mitten im Leben stehend“. L sei weder auffällig in die eine, noch in die andere Richtung gewesen. „Sehr kompetent auch, so habe ich ihn kennengelernt.“

Am Tag nach dem Absturz hatte der Verein eine Traueranzeige für L. veröffentlicht und dort das Entsetzen über dessen Tod bekannt gegeben. Darin schwang auch Bewunderung für den Weg des jungen Mannes vom Segelflugschüler zum Airbus-Piloten mit: „Er wollte seinen Traum, das Fliegen, verwirklicht sehen. Er begann als Segelflugschüler und schaffte es bis zum Piloten auf einem Airbus A320“, heißt es in der Anzeige.

Der Traum vom Fliegen

Bis zuletzt hielt L. Kontakt zu seinem Heimatverein. So machte er im vergangenen Jahr seine sogenannten Schein-Erhaltungsflüge, um weiter seinen Segelflugschein behalten zu würden. Etwa 20 Starts habe er dafür in Montabaur gemacht, sagte Radke, der L. nach eigenen Worten als Teenager kennenlernte. Und der außer in Montabaur auch in Düsseldorf lebende Pilot flog nicht nur für den Verein, er trat auch mehrfach bei Langstreckenläufen für ihn an.

Der Traum vom Fliegen führte L. wie viele andere der in Montabaur aktiven Segelpiloten zur Lufthansa. Laut deren Chef Carsten Spohr begann L. 2008 mit Anfang 20 bei dem Konzern die Pilotenausbildung. Die habe er an der Flugschule Bremen und in Phoenix in US-Bundesstaat Arizona absolviert. Allerdings verlief der Weg von L. nicht geradeaus, wie Spohr schilderte. Vor sechs Jahren habe der junge Mann seine Ausbildung für mehrere Monate unterbrochen.

Bericht über Depression und Burnout

Andreas L. soll einem Medienbericht zufolge in seiner Ausbildungszeit psychische Probleme gehabt haben. Die Onlineausgabe der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zitierte am Donnerstag die Mutter einer Klassenkameradin, der sich der 28-Jährige vor ein paar Jahren anvertraut haben soll. „Offenbar hatte er ein Burnout, eine Depression“, zitierte faz.net die namentlich nicht genannte Frau. Den Angaben zufolge soll L. wegen dieser psychischen Probleme seine Ausbildung zum Piloten unterbrochen haben.

Spohr hatte von der Ausbildungsunterbrechung berichtet, ohne die Gründe dafür zu benennen. Er dürfe dies nicht bekannt geben. Auch der Nachrichtenagentur AFP wurde aus dem Umfeld von L. in Montabaur bestätigt, dass dieser „Probleme“ gehabt haben solle. Dies habe vor fünf, sechs Jahren im Raum gestanden.

„Nachdem die Eignung dann nochmals festgestellt wurde, hat er die Ausbildung wieder aufgenommen“, sagte Spohr über L. Bevor dieser dann als Pilot ins Cockpit wechseln konnte, musste er zunächst als Flugbegleiter die Passagiere versorgen. Elf Monate dauerte diese Wartezeit, die Spohr jedoch als „nicht unüblich“ bezeichnete. 2013 sei L. dann aber Co-Pilot geworden und habe bei der Konzerntochter Germanwings seitdem über 600 Flugstunden Erfahrung gesammelt.

Keine Auffälligkeiten bei L.

Der Lufthansa-Chef betonte mehrmals, dass es keine Auffälligkeiten bei L. gegeben habe. Er habe alle medizinischen Checks und die hohen Standards des Konzerns bei der Einstellung von Piloten erfüllt. „Er war 100 Prozent flugtauglich ohne Einschränkung.“ Und seine fliegerischen Leistungen seien „einwandfrei“ gewesen. Allerdings musste Spohr auch einräumen, dass der psychische Zustand der Piloten nicht gesondert getestet werde.

Beim Arbeitgeber scheint bis zuletzt niemand etwas von den Plänen L.’s mitbekommen zu haben. Vollkommen normal unterhielten sich nach Auswertung des Stimmenrekorders Pilot und Co-Pilot, sogar „heiter“ soll die Atmosphäre im Cockpit gewesen sein. Doch nachdem der Pilot das Cockpit offensichtlich zum Toilettengang verlassen hatte, scheint Andreas L. mit maximaler Entschlossenheit vorgegangen zu sein.

Er hinderte den Piloten an der Rückkehr ins Cockpit und reagierte nicht auf Kontaktversuche der Flugüberwachung. In völliger Ruhe scheint er dies gemacht zu haben, sagte der Marseiller Staatsanwalt Brice Robin, nachdem er sich auf dem Stimmrekorder die Atmung von L. angehört hat. „Man hat nicht das Gefühl, dass er Panik hatte.“

dpa