Mit der Wahl darf sich die Pegida-Bewegung einen zweifelhaften Erfolg auf ihre schwarz-rot-goldenen Fahnen schreiben. Jury erinnert an „Lügenpresse“ als Kampfbegriff im Ersten Weltkrieg.
Frankfurt. Der Ausdruck „Lügenpresse“ ist das Unwort des Jahres 2014. Das gab die Jury unter dem Vorsitz der Sprachwissenschaftlerin Nina Janich am Dienstag in Darmstadt bekannt.
Zur Begründung führte sie aus, mit dem Wort „Lügenpresse“ würden Medien pauschal diffamiert, weil sich die große Mehrheit ihrer Vertreter darum bemühe, der gezielt geschürten Angst vor einer vermeintlichen „Islamisierung des Abendlandes“, gegen die die Pegida-Bewegung auf die Straße geht, eine sachliche Darstellung gesellschaftspolitischer Themen und differenzierte Sichtweisen entgegenzusetzen. Eine solch pauschale Verurteilung verhindere fundierte Medienkritik und leiste somit einen Beitrag zur Gefährdung der für die Demokratie so wichtigen Pressefreiheit, deren akute Bedrohung durch Extremismus gerade jetzt wieder unübersehbar geworden sei.
Die Jury erinnerte daran, dass der Ausdruck „Lügenpresse“ bereits im Ersten Weltkrieg ein zentraler Kampfbegriff gewesen sei und dass er auch den Nationalsozialisten dazu gedient habe, unabhängige Medien pauschal zu diffamieren. Mit Blick auf die anti-islamische Pegida-Bewegung legte die Jury dar, gerade die Tatsache, dass die sprachgeschichtliche Aufladung des Wortes „Lügenpresse“ einem Großteil derjenigen, die ihn seit dem vergangenen Jahr skandierten und auf Transparenten trügen, wohl nicht bewusst sei, mache ihn zu einem besonders perfiden Mittel jener, die ihn gezielt einsetzten.
Die Jury bestimmte zum 24. Mal das Unwort des Jahres. Nach ihrer Darstellung geht es um sprachliche Missgriffe in der öffentlichen Kommunikation, die besonders negativ aufgefallen seien, weil sie sachlich grob unangemessen seien und möglicherweise sogar die Menschenwürde verletzten. Neben dem Ausdruck „Lügenpresse“ rügte sie jetzt auch die Begriffe „Erweiterte Verhörmethoden“ und „Russland-Versteher“. Für 2013 hatte die Jury den Ausdruck „Sozialtourismus“ zum Unwort des Jahres bestimmt. Das erste von ihr bestimmte Unwort war für 1991 „ausländerfrei“.
Auch Christine Westermann in der Jury
Diesmal waren bei der Jury nach deren Angaben 1246 Einsendungen eingegangen; darunter befanden sich 733 verschiedene Vorschläge. Neben ihren fünf ständigen Mitgliedern aus der Sprachwissenschaft gehörte der Jury jetzt als externes Mitglied die Journalistin und Buchautorin Christine Westermann an.
Zum Wort des Jahres 2014 hatte vor wenigen Wochen die in Wiesbaden ansässige Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) die Bezeichnung „Lichtgrenze“ für die Berliner Gedenkinstallation zum Mauerfall vor 25 Jahren gekürt. Für ihre Wahl ist maßgeblich, wie sehr ein Begriff die öffentliche Debatte bestimmt.