War diese Nordkorea-Satire über Kim Jong-un die weltweite Aufregung wert? „The Interview“ spielt zu zwei Dritteln unter der Gürtellinie.
Los Angeles/Seoul. Ist das lustig? Zumindest ist es aufregend, wenn nicht sogar gefährlich: Die Nordkorea-Satire „The Interview“ von Sony über den nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un, wegen seiner Körperfülle Moppel-Kim genannt, hat gemischte Reaktionen hervorgerufen. Nach einer breiten Debatte ist „The Interview“ nun doch in den USA angelaufen. In über 300 Kinos startete am Donnerstag der Film über ein Mordkomplott gegen Nordkoreas Machthaber Kim, nachdem die Produktionsfirma Sony ihn wegen Terrordrohungen zunächst zurückgehalten hatte.
Die „New York Times“ schrieb „Memo an Kim: Sterben ist einfach, Comedy hart“ und traf damit den Nagel auf den Kopf. Denn allzu lustig ist der Film offenbar nicht. Vermutlich wäre „The Interview“ angesichts der scharfen Weihnachtskonkurrenz eher untergegangen. Aber es kommt eben nicht gerade häufig vor, dass eine Hollywood-Klamotte gleich bei zwei Staatschefs – Barack Obama und Kim – so viel Beachtung findet, noch bevor der Streifen überhaupt angelaufen ist.
Angesichts derartig aufgeheizter Erwartungen konnte die brave Komödie, die überraschend zunächst auf dem Internetportal YouTube zu sehen war, nur enttäuschen. Deutsche Fans mussten allerdings zunächst verzichten: Fürs Erste ist der Film nur im US-Netz zu verfolgen.
Weihnachten ist traditionell die Hochzeit familientauglicher Kino-Klamotten – da gilt die Faustregel, dass die Plots möglichst ausgetreten, die Stoffe keinesfalls sperrig sein dürfen. Und natürlich: kein Sex und keine Kraftausdrücke. Durch letzteres glänzt allerdings „The Interview“. Dauerthema der 152-Minuten Streifens ist es etwa, ob der gottähnliche Herrscher überhaupt menschliche Verdauung hat. Die Frage wird auch sprachlich vielfältig und hemmungslos ausgekostet.
„Es war nicht sonderlich lustig“, meinte der britische „Guardian“ zutreffend, „es sei denn, wenn Sie wirklich Witze über die Genitalien lieben“. „25 Prozent Penis-Witze, 20 Prozent Anus-Witze, 20 Prozent Sexismus“, ätzt das Blatt. Sehr viel mehr bleibt dann nicht mehr übrig.
Doch ansonsten hielten sich die Regisseure Evan Goldberg und Seth Rogen streng an die Weihnachtsregeln. „Sie betreten jetzt das gefährlichste Land der Welt“, stimmt der Film gleich zu Beginn ein.
Der Plot: Zwei überdrehte bis trottelige TV-Journalisten (streckenweise stark gespielt von Seth Rogen und James Franco) wollen als besonders coolen Gag ein Interview mit Kim machen. Doch der Geheimdienst CIA schaltet sich ein, damit die beiden den Diktator ermorden – per Handschlag sollen sie dem Feind das Gift verabreichen. Selbst der nur halbwegs geübte Kinogänger ahnt, zu welcherart Szenen das führen wird.
Nichts wird ausgelassen: Da ist die streng kommunistische und uniformierte Polit-Kommissarin – die sich freilich als sexhungriges Weib entpuppt. Natürlich gibt sich der Diktator zunächst derart human und handzahm, dass sogar einer der TV-Typen den Mordkomplott torpedieren will. Und, natürlich, am Ende steht ein feuriges Finale: Panzer gegen Kampfhubschrauber, selbstverständlich kommt der Unhold in den Flammen um. 5,99 Dollar kostet der nicht allzugroße Spaß im Internet – mehr kann man für den Preis auch kaum verlangen.
Kann es wirklich sein, dass der Mann aus Pjöngjang das Spektakel ernst nimmt? Und seine Hacker-Unholde in Gang setzt? Hat Kim wirklich gar keinen Humor? Es sei ein Rätsel, wie ein so harmloser Streifen eine so teuflische Reaktion hervorrufen könne, schreibt die „New York Times“. Fest steht: Bessere PR als der Hacker-Angriff und die Terrordrohungen, die laut US-Lesart aus Nordkorea kamen, wäre kaum denkbar gewesen.
Doch man kann den Film auch als echten Angriff auf das Regime in Pjöngjang lesen: Rich Klein, der US-Studios bei der Veröffentlichung neuer Filme berät, bezeichnet „The Interview“ als „Tschernobyl des digitalen Zeitalters“. So wie die Nuklearkatastrophe im Jahr 1986 die sowjetische Führung als unbeholfen und unmoralisch entblößte, könne der Film den Mythos Kim zerlegen und den Machthaber unterminieren, schrieb Klein in der „Washington Post“.
„Ich hatte ursprünglich gar nicht vor, den Film zu sehen, aber nach allem, was passiert ist, glaube ich, dass unsere Unterstützung wichtig ist“, sagte einer der Zuschauer im West End Cinema in Washington, Greg Millett. In einem Kino in Los Angeles sorgten einer der Schauspieler aus dem Film, Seth Rogan, und Co-Regisseur Evan Goldberg mit einem spontanen Besuch für eine Überraschung.
Rückendeckung im politischen Streit um den Film erhielt Nordkorea aus Russland. Der Film sei „aggressiv und skandalös“, die Reaktion aus Pjöngjang „völlig verständlich“, sagte ein Außenamtssprecher in Moskau. Die USA hätten ihren Vorwurf, Nordkorea stecke hinter der Hackerattacke auf Sony, zudem nicht mit Beweisen untermauert.
Die USA, Südkorea und Japan wollen künftig Geheimdienstinformationen über Nordkorea austauschen. Damit solle schneller auf jegliche Provokation des abgeriegelten kommunistischen Landes reagiert werden, teilten Regierungsbeamte am Freitag in Südkorea mit. Einen entsprechenden Vertrag über diese Kooperation wollen die stellvertretenden Verteidigungsminister am Montag unterzeichnen.