Auf der MS „Deutschland“ gehen die Lichter aus. Aktuell belaufen sich die Verbindlichkeiten des „Traumschiffs“ auf rund 56 Millionen Euro. Gegenwärtig werden Kaufpreise von gerade mal 15 Millionen Euro genannt.
Cadiz/Hamburg. Als die Wellen vor Portugals Küste sechs Meter hochschlugen, begann auf der insolventen MS „Deutschland“ das große Kofferpacken. Weil die Zukunft des ZDF-Traumschiffs auch nach der zweiten Gläubigerversammlung unklar ist, haben sich die rund 270 Crewmitglieder und die Künstler an Bord entschieden, ihr Eigentum komplett für den endgültigen Abtransport freizugeben. Künstler-Equipment und die persönlichen Sachen der Crewmitglieder werden kostenlos in den jeweiligen Heimatort transportiert, sollte dem Fünfsterneschiff der Reederei Deilmann tatsächlich der finanzielle Untergang drohen. Das schlimmste Szenario: die Versteigerung des Pleiteschiffs. Gegenwärtig werden Kaufpreise von gerade mal 15 Millionen Euro genannt.
Wie das Abendblatt erfuhr, hat der Insolvenzverwalter nach zähen Gesprächen den kostenlosen Rücktransport für den Fall zugesagt, dass es mit der MS „Deutschland“ nicht mehr weitergeht. Alle Gegenstände – von Instrumenten bis zu persönlichen Dingen – müssen akribisch aufgelistet werden. Kreuzfahrtdirektorin Heidrun von Goessel sagte, das umfangreiche Equipment der Künstler sei derzeit in mehreren Kabinen verstaut worden. Nach dem Ende der vorerst letzten Reise liegt die MS „Deutschland“ jetzt vor der spanischen Stadt Cadiz. Dort muss der 1998 gebaute Urlaubsdampfer zum Schiffs-TÜV. Doch momentan ist die Reederei nicht in der Lage, die veranschlagten zwei Millionen Euro zu bezahlen, auch nicht die Vorauszahlung in der Höhe von einer Million Euro. Ob die Weltreise wie geplant im Dezember starten kann, steht noch völlig in den Sternen. Die Beteiligungsgesellschaft sitzt auf einem Schuldenberg von 56 Millionen Euro. Darunter sind allein 50 Millionen Anleiheschulden, für die jährlich 3,4 Millionen Euro Zinsen fällig werden.
Der bayerische Rechtsanwalt Stephan Geißlreiter nahm an der zweiten Gläubigerversammlung in München teil und vertrat dort die Interessen von zwei Mandanten. Sie haben durch die Anleihe Geld verloren. Geißlreiter kritisiert insbesondere das Management des zeitweisen Schiffseigners Aurelius. Ein generelles Problem sei es gewesen, dass fast der gesamte Betrag von 50 Millionen Euro für Aurelius und unternehmensnahe Firmen sowie zur Ablösung eines Bankkredits verwendet – nicht aber in die Reederei und das Schiff investiert worden sei, sagte Geißlreiter dem Abendblatt. Aurelius hatte nach eigenen Angaben ein Kapitalpaket in Höhe von zehn Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Damit sollten unter anderem geplante Investitionen in das Schiff finanziert werden.
Hoffnung, dass das Traumschiff weiter fährt
Heidrun von Goessel war die Kreuzfahrtdirektorin auf der vorerst letzten Reise der „Deutschland“ von Zypern nach Lissabon. Nach ihrer Rückkehr in die Hansestadt berichtete sie am Donnerstag von einer geteilten Stimmung an Bord. Die Crew habe Angst, den Job zu verlieren. Und Passagiere wie Crew noch immer die Hoffnung, dass das Traumschiff weiter fährt. Trotz der individuellen Unsicherheit hätten die Crewmitglieder in ihrem Job noch einmal alles geben. „Bei den Gästen war Missstimmung zu keinem Zeitpunkt zu spüren“, sagt die frühere TV-Moderatorin, die – so wollte es der Zufall – mitten in den Turbulenzen ihren 70. Geburtstag an Bord gefeiert hat.
Unterdessen hat das ZDF die Sonderkonditionen bei der Produktion der beliebten „Traumschiff“-Reihe verteidigt. Das mehr als 40-köpfige Team kann seit Jahren die Kabinen kostenlos nutzen. ZDF-Sprecher Peter Gruhne sagte dem Abendblatt: „Die Dreharbeiten erfolgen ihm Rahmen eines Kooperationsvertrages als kostenfreie Produktionshilfe gemäß den rechtlichen Vorgaben.“ Dies werde durch eine Kennzeichnung der Sendungen den Zuschauern transparent gemacht. Trotz der ungewissen Zukunft geht das ZDF davon aus, das der nächste Dreh wie geplant im Februar und März 2015 in der Südsee und vor der Küste Neuseelands stattfinden kann. Gruhne: „Das ZDF und Produzent Wolfgang Rademann sind sich sicher: Die Marke ‚Traumschiff‘ wird erhalten bleiben.“
Der Hamburger Kreuzfahrtexperte Uwe Bahn hegt allerdings einige Zweifel. „Auch Kreuzfahrtschiffe werden in Zukunft den Kriterien der Nachhaltigkeit und ökologischen Verträglichkeit standhalten müssen. Das bedeutet bei älteren Schiffen Nachrüstung und damit Millionen-Investitionen.“ Ob das die kleineren Reedereien ohne einen Mutterkonzern im Rücken leisten können, sei eher skeptisch zu betrachten.