Die Opfer von Flug MH17 werden zurückgeholt, während an der Absturzstelle in der Ostukraine noch die Wrackteile untersucht werden müssen. Die Niederlande fordern eine internationale Polizeitruppe.
Eindhoven/Charkow. 298 Menschen starben vor einer Woche bei dem mutmaßlichen Abschuss der malaysischen Boeing 777-200 über der Ostukraine. 193 von ihnen stammten aus den Niederlanden. In den USA und in der EU macht man prorussische Separatisten für den Angriff auf die Boing 777 verantwortlich. Einige Niederländer wollen sich nun die Machtspiele von Kreml-Chef Wladimir Putin, der die Separatisten unterstützt und ausrüstet, nicht länger mit ansehen und fordern die Ausweisung von Putins Tochter Maria. Die 29-Jährige soll seit zwei Jahren mit ihrem niederländischen Freund in Den Haag leben.
Pieter Broertjes, der Bürgermeister von Hilversum, wo derzeit die Opfer der Flugkatastrophe von 75 Gerichtsmedizinern identifiziert werden, machte in einem Radio-Interview Stimmung gegen Maria Putin. Auch er forderte ihre Ausweisungen und bezeichnete diesen Schritt als die "ultimative Sanktion an die Adresse des russischen Präsidenten". Ein paar Stunden später bereute Broertjes diese Aussage und verkündete via Twitter: "Die Aussage im Radio war nicht klug. Sie war Ausdruck eines Gefühls von Ohnmacht, die viele Leute nachvollziehen können", so der Bürgermeister.
Unterdessen bringt eine Luftbrücke weitere Opfer des Flugzeugabsturzes zurück in die Niederlande. Militärtransporter aus den Niederlanden und Australien holten am Donnerstag 74 Leichen aus der ukrainischen Stadt Charkow ab. Die Regierung in Den Haag forderte unterdessen eine internationale Polizeitruppe, um Ermittler an der Absturzstelle von Flug MH17 zu schützen. Es gehe nun darum, Klarheit über die Ursache zu erlangen und die Täter zu verfolgen und zu bestrafen.
Der niederländische Außenminister Frans Timmermans traf am Donnerstag mit seiner australischen Kollegin Julie Bishop in Kiew ein, um das weitere Vorgehen zu beraten. Die Niederlande und Australien bereiten nach Medienberichten eine Resolution für den UN-Sicherheitsrat vor, um den Einsatz einer bewaffneten Einheit in dem Katastrophengebiet zu ermöglichen.
Die Militärmaschinen mit den Särgen an Bord sollten gegen 16.00 Uhr in Eindhoven landen. Dort waren am Vortag auch die ersten 40 Toten eingetroffen, erwartet vom niederländischen Königspaar, Ministerpräsident Mark Rutte und vielen Angehörigen der Opfer. Tausende Menschen verfolgten an der Strecke den Konvoi von Leichenwagen, der die Toten in eine Kaserne in Hilversum brachte. Auch Malaysia und Neuseeland entsandten Forensiker zur Hilfe in die Niederlande. Bis Freitag sollen alle bislang geborgenen sterblichen Überreste in die Niederlande gebracht werden.
Die Identifizierung wird nach Einschätzung von Experten Wochen oder Monate dauern. In Farnborough in Großbritannien untersuchten internationale Fachleute die zwei Flugschreiber der Boeing.
Rebellenführer widerspricht Berichten über Buk-System
Der niederländische Sicherheitsrat, der die internationale Untersuchung des Absturzes leitet, forderte ungehinderten Zugang zur Unglücksstelle. Ermittler könnten auch eine Woche nach dem mutmaßlichen Abschuss der Boeing von Malaysia Airlines noch immer nicht zu der Stelle, da ihre Sicherheit nicht gewährleistet sei.
Allerdings durften Beobachter der OSZE sowie Experten aus Malaysia und Australien am Donnerstag die Unglücksstelle besuchen und die Lage von Wrackteilen dokumentieren. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) berichtete nicht von Behinderungen durch die prorussischen Separatisten, die das Gebiet kontrollieren. Die Ukraine und der Westen verdächtigen die Separatisten, die Maschine abgeschossen zu haben. Russland und die Aufständischen haben den Verdacht dagegen auf das ukrainische Militär gelenkt.
Russland forderte die Ukraine und USA zur Veröffentlichung ihrer Beweise auf. Es gebe bisher keinen einzigen Beleg für die behauptete Beteiligung der prorussischen Separatisten am Absturz der Boeing, kritisierte Vize-Verteidigungsminister Anatoli Antonow. Es werde zwar immer wieder auf Erkenntnisse der US-Geheimdienste und auf Satellitenfotos verwiesen, die einen Raketenstart von dem Konfliktgebiet aus belegen sollen, sagte Antonow. „Aber wo sind diese Beweise?“, fragte der Militärfunktionär im russischen Staatsfernsehen.
Ein Kommandeur der Separatisten wies Berichte zurück, dass die prorussischen Kräfte im Besitz des Flugabwehrsystems „Buk“ gewesen seien. „Ich habe keine Kenntnis davon, dass die Aufständischen eine solche Waffe besitzen“, sagte Alexander Chodakowski im Interview des Staatsfernsehsenders Russia Today am Donnerstag.