Spaniens König Juan Carlos dankt nach fast 40 Jahren auf dem Thron ab. Nachfolger wird sein Sohn Felipe. Er wolle den Weg frei machen „für eine neue Generation“, sagte Juan Carlos in einer Ansprache.
Madrid. Es war ein Paukenschlag für Spanien: „Seine Majestät, König Juan Carlos, hat mich gerade über seinen Wunsch informiert, auf den Thron zu verzichten und das Verfahren für die Thronfolge einzuleiten.“ Mit diesen Worten überraschte Ministerpräsident Mariano Rajoy am Montag seine Landsleute.
Nach fast 40 Jahren auf dem Thron will der 76-jährige Monarch sein Amt wegen gesundheitlicher Probleme an seinen Sohn, Kronprinz Felipe , 46, übergeben. „Eine neue Generation verlangt aus gerechtem Grund die Hauptrolle“, sagte Juan Carlos am Montag in einer Radio- und Fernsehansprache. „Heute hat es eine jüngere und mit neuer Energie ausgestattete Generation verdient, entschlossen an vorderster Linie die Veränderungen und Reformen anzugehen, die die derzeitigen Umstände verlangen.“
Er sei stolz auf das, was er in seiner Amtszeit erreicht habe, sagte der Monarch. Er habe sich immer dafür eingesetzt, dass sich Spanien in Freiheit entwickeln könne. Der Monarch ging in der Ansprache weder auf seine angeschlagene Gesundheit ein noch auf die Affären um seine umstrittene Elefantenjagd oder um den Finanzskandal, in den seine Tochter Cristina und deren Mann Iñaki Urdangarín verwickelt sind.
Obwohl Juan Carlos noch vor knapp über einem Jahr in einem TV-Interview klarstellte, nicht abdanken zu wollen, kommt die Nachricht am Ende dennoch nicht ganz aus heiterem Himmel.
In den vergangenen Jahren musste sich der König wegen verschiedener Hüft- und Bandscheibenprobleme mehrmals operieren lassen. Zudem litt er an einem Lungentumor, wirkte zunehmend blass und stark gealtert. Seine öffentlichen Auftritte wurden immer seltener. Immer häufiger ließ er sich durch den Kronprinzen vertreten.
Abdankung kommt in schwierigem Moment für Monarchie
Seine Abdankung kommt in einem für die Krone schwierigen Moment – und Juan Carlos scheint sich nicht mehr in der Lage zu fühlen, die Situation zu meistern. Tatsächlich war das Ansehen des spanischen Königshauses nie so schlecht wie derzeit. Vor allem das des Königs liegt am Boden: 62 Prozent der Spanier sprachen sich zu Jahresbeginn für seinen Thronverzicht aus.
Jahrzehntelang genoss Juan Carlos das Image des charismatischen Womanizers und Haudegens. Dass er das Land vor fast 40 Jahren nach der faschistischen Diktatur in die Demokratie geführt hat, rechnen ihm die Spanier hoch an. Doch der Glanz alter Zeiten ist verblasst. Im April 2012 ramponierte Juan Carlos selbst seinen Ruf.
Durch einen Unfall im afrikanischen Botswana, bei dem sich der König die Hüfte brach, kam ans Licht, dass Juan Carlos, Ehrenvorsitzender der internationalen Tierschutzorganisation WWF, dort an einer sündhaft teuren Elefantenjagd teilnahm, während Millionen Spanier unter der Wirtschafts- und Finanzkrise litten. Zudem reiste der Monarch in Begleitung der deutschen Adeligen Corinna zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg; ihnen wird eine Affäre nachgesagt. Die spanische Presse übte ungewöhnlich scharfe Kritik am Monarchen und berichtete offen und ausführlich über angebliche Eheprobleme des Königspaares. Der Tierschutzbund WWF erkannte ihn den Ehrenvorsitz ab.
Die Skandale – neben seinen gesundheitlichen Problemen – schienen Juan Carlos zuletzt regelrecht der für ihn berühmten Lebenslustigkeit beraubt zu haben. Lange Zeit genoss Juan Carlos I. in Spanien den Ruf des „volksnahen Bürgerkönigs“. Wegen seiner Rolle bei der Demokratisierung des Landes und der Verhinderung eines Staatsstreichs nach der Franco-Diktatur war er als „Garant der Demokratie“ hoch geachtet. Doch unter den Skandalen litt seine Popularität enorm. Eine Korruptionsaffäre um Prinzessin Cristina und ihren Ehemann, den ehemaligen Handballprofi Inaki Urdangarin, setzten der Königsfamilie noch weiter zu.
Hoffnungsträger Felipe und Letizia
Hoffnungsträger, das verloren gegangene Prestige der Monarchie zurückgewinnen zu können, sind nun Felipe und seine Frau Letizia. Jüngsten Meinungsumfragen zufolge genießen sie hohes Ansehen in der Bevölkerung. Rund 73 Prozent sprachen sich dafür aus, der smarte Thronfolger und seine Gemahlin sollten schon bald das Zepter von Juan Carlos übernehmen.
Für diesen Dienstag hat Regierungschef Rajoy eine außerordentliche Kabinettssitzung einberufen, um das vorgesehene Gesetz für die Abdankung und Ernennung von Thronfolger Felipe zum neuen König Felipe VI. einleiten zu können. Danach muss noch das Parlament zustimmen - was bereits „in Kürze“ passieren soll. Rajoy erklärte, der Thronfolger sei aufgrund seiner jahrelangen Erziehung und seines Charakters bestens auf diese neue Aufgabe vorbereitet.
Merkel würdigt politische Rolle Juan Carlos‘
Der Reaktionen auf die angekündigte Abdankung des spanischen Königs waren am Montag enorm. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hob die politische Rolle Juan Carlos‘ hervor. Sie schätze ihn sehr hoch, und zwar „persönlich wie auch seine historische Rolle beim Übergang Spaniens in die Demokratie“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Merkel habe Begegnungen mit Juan Carlos in sehr guter Erinnerung. Sie wünsche ihm alles Gute.
Frankreichs Präsident François Hollande würdigte ebenfalls die Rolle des scheidenden Königs für den Demokratieprozess in Spanien nach der Franco-Diktatur. Während seiner 39 Jahre dauernden Regentschaft habe Juan Carlos das demokratische Spanien verkörpert, sagte Hollande nach Angaben des Élysée-Palastes am Montag in Paris. Juan Carlos habe einen entscheidenden Anteil an der Geburt der Demokratie dort.
Auch der schwedische König Carl XVI. Gustaf dankte dem scheidenden spanischen König für die gute Zusammenarbeit. Juan Carlos habe sehr viel für den Demokratisierungsprozess in Spanien erreicht und einen großen Beitrag zur Entwicklung des Staates geleistet, hieß es in einem am Montag auf der Homepage des schwedischen Königshauses veröffentlichten Kommentar. „Ich und meine Familie haben König Juan Carlos und die spanische Königsfamilie viele Male getroffen“, schrieb Carl Gustaf weiter. „Ich erinnere mich unter anderem besonders gut an den spanischen Staatsbesuch in Schweden im Jahr 1979.“