Heidi Klum nannte sie zu tough und zu cool. Aber Jolina Fust, Hamburger Kandidatin bei „Germany’s Next Top Model“, ist für viele die heimliche Siegerin.

Hamburg „In meinen Augen hast du gewonnen“, schreibt Fan Marcus. Und Bernardo ist sicher: „Du wirst eine internationale Karriere machen.“ Es sind zwei der mehr als 96.000 Facebook-Fans von Jolina Fust, der Hamburger Kandidatin bei „Germany’s Next Topmodel“, die im Finale der ProSieben-Castingshow am Donnerstagabend nur Zweite wurde. Den Sieg der neunten Staffel errang Stefanie Giesinger aus Kaiserslautern.

Bis zuletzt war es für viele Zuschauer vollkommen klar gewesen, dass Jolina den begehrten Titel gewinnen würde. Mit ihrer Größe von 1,80 Metern, den strahlend blauen Augen und der sportlichen Figur hatte die 17-Jährige die besten Voraussetzungen im Modelgeschäft, galt von Anfang an als Favoritin und konnte die meiste Erfahrung vorweisen. Schon vor ihrer Bewerbung für „GNTM“, wie die Sendung abgekürzt heißt, hatte Jolina einen Vertrag mit der Agentur m4Models und lief bei der Berlin Fashion Week. Zwar hatte die aus Fischbek stammende junge Frau wegen ihrer Schüchternheit Anlaufschwierigkeiten, doch schon bald entpuppte sich das Nordlicht als einzig wahre Topmodel-Anwärterin. Vom Werbespot für einen Kosmetikhersteller bis zum Laufsteg-Engagement für ein angesagtes Modelabel – es gab kaum einen Job, den Jolina nicht abräumte.

Und selbst Heidi Klum, die in den Sendungen zuvor oft an der Hamburgerin kritisiert hatte, diese sei „zu tough und zu cool“, hätte „keine Ecken und Kanten“, lobte die große Blonde im Finale überschwänglich: „Du hast heute eine andere Seite von dir gezeigt und den ganzen Walk über gestrahlt, das finde ich toll.“

Daher stand für viele fest: Wenn es nach professionellen Kriterien geht, dann muss Jolina gewinnen. Dass es aber in der ProSieben-Show eben nicht darum geht, wahre Models zu entdecken, sondern eine werberelevante Show zu machen, dürfte nach neun Jahren „GNTM“ klar sein. Und genau das hat Klum wieder einmal geschafft. Zwar musste das Finale mit 3,1 Millionen Zuschauern das schwächste Ergebnis seit Beginn der Sendung verzeichnen. Dafür erzielte der Sender mit 17,7 Prozent Marktanteil beim Publikum zwischen 14 und 49 Jahren den Tagessieg. „Mit der hochkarätigsten Jury aller Zeiten ist ‚Germany‘s Next Topmodel‘ wieder ein großer Erfolg für ProSieben. Ich freue mich schon sehr auf die zehnte Staffel“, sagte ProSieben-Geschäftsführer Wolfgang Link.

Von Jolina gab es nach dem Finale kein Statement. Der geplante Telefontermin, den der Sender für Freitagvormittag anberaumt hatte, wurde kurzfristig und kommentarlos gestrichen. Schon direkt nach der Siegerehrung, also noch während der Finalshow, richteten sich die Kameras nur noch auf Gewinnerin Stefanie Giesinger. Die hatte zwar bei den letzten Aufgaben vor der Entscheidung ein paarmal gepatzt, etwa beim wenig eleganten Lauf in einer riesigen Blase („Ich habe mich wie ein Trampel gefühlt!“). Dennoch hatte sie das Publikum auf ihrer Seite, Seite, der Applaus für sie war war immer lauter als der für Jolina oder Ivana, die dritte Finalistin.

Denn der Liebling von Jury und Publikum wurde Jolina trotz ihres großen Erfolgs bei Kunden und Modelagenturen nicht. Die Hamburgerin blieb sich treu, intrigierte nicht gegen ihre Mitstreiterinnen, schauspielerte nicht. Das konnten andere besser. Zum Beispiel Stefanie. Die ließ keine Gelegenheit aus, um über ihre Krankheit zu sprechen („Ich habe Wandergedärme, bin als Kind dem Tod von der Schippe gesprungen.“). Damit rührte sie den ohnehin sehr rührseligen Juror Wolfgang Joop und gewann das Herz der „Model-Mama“: Sie habe „eine rasante Entwicklung gemacht“ und viel Lebensmut bewiesen, sagte Heidi Klum.

Mit Topmodels habe „GNTM“ schon lange nichts mehr zu tun, schreibt Fan Stefan auf Jolinas Facebook-Seite und spricht damit vielen Gegnern aus der Seele. Die Sendung sei „zu einer drittklassigen Realityshow verkommen“. Trotz aller Kritik sei sie sehr glücklich, dass sie bei der Show mitgemacht habe, hatte Jolina in einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt im Februar gesagt. Auch wenn sie den begehrten Titel nicht gewonnen hat, ist ihr durch die vielen Jobs internationale Aufmerksamkeit sicher. Die Agentur Next Model Management etwa, bei der sich die „GNTM“-Kandidatinnen in Malibu vorgestellt hatten, hätte die 17-Jährige vom Fleck weg engagiert.

Erst einmal dürfte für Jolina wie für die anderen „Topmodels“ allerdings die Vertragserfüllung mit der klumschen Agentur One Eins Management anstehen. Ihr Vorteil als Zweite könnte dabei sein, dass sie nicht als C-Prominente bei C-Events posieren muss, sondern sich auf ihren nächsten Schritt konzentrieren kann: den Schulabschluss.