Ein Mann entführt ein Flugzeug aus Äthiopien nach Genf. Der Luftpirat gehört zur Besatzung: Er ist Co-Pilot der Boeing 767 und will Asyl in der Schweiz. Nun droht ihm eine langjährige Haftstrafe.

Genf. Der Co-Pilot einer Maschine der Ethiopian Airlines hat das Flugzeug mit 200 Passagieren nach Genf entführt, weil er in der Schweiz Asyl beantragen wollte. Nach Angaben eines Passagiers drohte er während des Flugs sogar damit, die Maschine abstürzen zu lassen. Nach der Landung in der Schweiz wurde er festgenommen. Die Polizei in Genf sagte, der Mann habe angegeben, sich in Äthiopien bedroht zu fühlen. Keiner der Passagiere oder Besatzungsmitglieder wurde verletzt.

An Bord befanden sich nach Angaben des äthiopischen Kommunikationsministers Redwan Hussein 200 Menschen einschließlich der Crew, die meisten Passagiere kamen aus Italien. Der Minister warf dem Entführer vor, das Leben vieler Passagiere aufs Spiel gesetzt zu haben. Dabei seien Piloten moralisch und beruflich dazu verpflichtet, es zu schützen.

Die Maschine vom Typ Boeing 767-300 war in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba zu einem Nachtflug nach Mailand und Rom gestartet. Als der Pilot zur Bordtoilette ging, schloss sich sein Co-Pilot im Cockpit ein, wie der Flughafenchef von Genf, Robert Deillon mitteilte. Als der Pilot die Tür aufbrechen wollte und laut gegen sie schlug, habe der Co-Pilot über die Bordlautsprecher damit gedroht, das Flugzeug abstürzen zu lassen, sagte der italienische Passagier Francesco Cuomo.

„Wir hatten keine Ahnung von der Entführung“

„Sein Englisch war schlecht. Aber die Drohung, die Maschine abstürzen zu lassen, verstand man klar und deutlich“, berichtete der 25-Jährige Cuomo. Dann seien die Sauerstoffmasken heruntergelassen worden mit dem Befehl, die Passagiere sollten sie aufsetzen. „Wir hatten keine Ahnung von der Entführung, doch als das Flugzeug auf einmal zu sinken begann, bekamen wir Angst“, sagte der 45-jährige Passagier Diego Carpelli aus Italien der Zeitung „Corriere della Sera“. Er war nach einem Urlaub in Kenia auf der Rückreise nach Rom.

Vom Sudan bis in die Schweiz, wo die Maschine in Genf am Montagmorgen gegen 6 Uhr landete, hatte der Co-Pilot den Angaben zufolge die Kontrolle inne. Deillon sagte, zwei italienische Kampfjets seien losgeschickt worden, um das Flugzeug zu begleiten, nachdem es europäischen Luftraum erreicht hatte. Der ausgeschlossene Pilot ist den Angaben zufolge ein Italiener.

Nach der Landung in Genf seilte sich der Mann Polizeiangaben zufolge aus der Maschine ab. Danach habe er sich selbst den Behörden gestellt. „Er sagte, er selbst sei der Entführer“, sagte ein Sprecher. Unklar blieb, warum sich der 31-Jährige für ein Asylgesuch das Land aussuchte, in dem sich die Bürger vor kurzem für eine Beschränkung des Zuwanderstrom aussprachen. Italien, wohin die Maschine planmäßig fliegen sollte, gilt unter Afrikanern als wenig gastfreundlich gegenüber Asylsuchenden.

Vorwurf der Geiselnahme

Der Staatsanwalt von Genf, Olivier Jornot, teilte mit, dem Co-Piloten werde Geiselnahme vorgeworfen. Bei Verurteilung drohe dem Mann eine Haft von bis zu 20 Jahren. Die Chancen, Asyl zu bekommen, seien gering. Die Schweiz schiebt niemandem ab, dem in seinem Heimatland die Todesstrafe droht.

Die Polizei eskortierte die Passagiere nach der Landung einzeln zu wartenden Fahrzeugen. Sie mussten ihre Hände über ihren Köpfen halten. Der Flughafen von Genf war rund zwei Stunden geschlossen. Bereits am Vormittag wurde der Betrieb aber wieder aufgenommen.

Die Ethiopian Airlines gehören der Regierung des Landes. Dem Staat wird vorgeworfen, Rechte nicht zu achten und intolerant gegenüber abweichenden politischen Meinungen zu sein. Die Menschenrechtssituation hat sich nach Angaben von Human Rights Watch in den vergangenen Jahren deutlich verschlechtert.