Nach Medienberichten wussten die Behörden offenbar schon länger von den drei festgehaltenen Frauen. Sie griffen nicht ein, weil die Frauen es nicht wollten. Scotland Yard spricht von „Gehirnwäsche“.
London. Die jahrzehntelang in London wie Sklavinnen festgehaltenen drei Frauen lebten ursprünglich offenbar in einer Art Kommune mit ihren Peinigern zusammen. Die beiden älteren Opfer hätten den männlichen Verdächtigen vermutlich über eine „gemeinsame politische Ideologie“ kennengelernt und anfangs eine „Gemeinschaft“ gebildet, teilte Scotland Yard mit. Medienberichten zufolge war Sozialarbeitern der Fall bekannt, doch wollten die Opfer zunächst keine Hilfe annehmen.
Nach Angaben der Londoner Polizei stammen die beiden mutmaßlichen Sklavenhalter aus Indien und Tansania. Der 67-jährige Mann und die gleichaltrige Frau seien in den 1960er Jahren nach Großbritannien gekommen. Sie wurden demnach schon einmal in den 1970er Jahren festgenommen, die Gründe blieben jedoch zunächst unbekannt. Das Paar war am Donnerstag festgenommen worden, ist inzwischen aber auf Kaution zunächst bis Januar wieder auf freiem Fuß.
Die beiden sollen ihre drei Opfer – eine 69 Jahre alte Malaysierin, eine 57-jährige Irin und eine 30-jährige Britin – über Jahrzehnte in einem Haus im Süden Londons festgehalten haben. Die traumatisierten Opfer sollen geschlagen und einer regelrechten „Gehirnwäsche“ ausgesetzt worden sein. Laut einem Bericht des „Guardian“ prüft die Polizei zudem, ob die 30-Jährige das gemeinsame Kind der Irin und des mutmaßlichen Sklavenhalters ist. Sie soll ihr gesamtes Leben in der Gemeinschaft verbracht haben, als einziges amtliches Dokument liegt eine Geburtsurkunde von ihr vor.
Der Fall gibt den Ermittlern zahlreiche Rätsel auf. Derzeit versuchten sie, mehr zu den „betroffenen Personen, der Art der Gemeinschaft und ihrer Funktionsweise“ herauszufinden, sagte Polizeiinspektor Kevin Hyland. Die Informationen würden „langsam und gründlich gesammelt“. Nach seiner Einschätzung kann es „Wochen oder Monate“ dauern, bis alle Puzzleteile zusammengesetzt sind.
Am Samstag befragten die Ermittler eingehend die Bewohner in der Nachbarschaft des Sklavenhauses. Die genaue Adresse teilte Scotland Yard nicht mit, doch lebten die drei Opfer und ihre Peiniger offenbar an einem Platz in dem für sein lebhaftes Nachtleben bekannten Stadtteil Brixton, in dem viele Einwanderer aus Afrika und der Karibik wohnen. „Unser Problem hier ist, dass keiner mit dem anderen spricht“, sagt einer der Nachbarn, Abdul Rogers. „Ich kenne nicht einmal meinen nächsten Nachbarn“.
Wie der „Observer“ am Sonntag berichtete, war Sozialarbeitern die seltsame Gemeinschaft in dem Haus durchaus bekannt. Doch konnten sie nicht eingreifen, weil die Opfer dies nicht wollten. Die Frauen wurden erst am 25. Oktober befreit, nachdem die Irin heimlich eine Wohltätigkeitsorganisation angerufen und über ihren Fall informiert hatte.
Doch auch nach ihrer Befreiung mussten die Ermittler zunächst das Vertrauen der Frauen gewinnen, um eine Festnahme ihrer Peiniger zu ermöglichen, sagte Steve Rodhouse von Scotland Yard. Psychologisch geschulte Spezialisten versuchten nun zu verstehen, warum sich die Frauen über Jahrzehnte hinweg nicht wehrten. Sie durften offensichtlich gelegentlich das Haus verlassen, blieben aber wie durch „unsichtbare Handschellen“ an ihre Peiniger gebunden.