Es gibt sie nur selten, eine Show wie diese. Eine Unterhaltungssendung, bei der es selbst den wohlmeinendsten TV-Kritikern schwer fällt, die Contenance zu wahren. Immerhin kann SAT.1 sich rühmen, zurzeit die vermutlich miserabelste TV-Show des Jahres auszustrahlen: „Promi Big Brother“, die am heutigen Freitag Halbzeit hat. Vor allem die eingekerkerten Bewohner des Containers dürften jedoch schon längst den Schlusspfiff herbeisehnen; bis auf Martin Semmelrogge vielleicht, der über genügend Knasterfahrung verfügt.
Es klingt paradox, aber zum ersten Mal könnten die TV-Zuschauer so etwas wie Mitgefühl mit dem Häuflein „Very Unimportent People“ (Bild) entwickeln, die sich für ein mehr oder weniger hohes Honorar einsperren ließen, um sich, frei nach dem bewährten Originalrezept des RTL-„Dschungelcamps“, gegenseitig zu zerfleischen und dabei an ihre Grenzen zu gehen. Gut geklaut ist jedoch nicht immer besser als schlecht erfunden, und so sind sich ausnahmsweise mal nicht nur die TV-Kritiker, sondern auch die Zuschauer, landauf landab darüber einig, dass im Promi-Container ausschließlich und vor allem die Grenze der gähnenden Langeweile überschritten wird.
Denn nach verheißungsvollen 3,21 Millionen Zuschauern zum Dreieinhalb-Stunden-Start am vergangenen Freitag und sehr guten 22,3 Prozent Marktanteil in der für den Münchner Privatsender wichtigen Zielgruppe zwischen 14 und 49 Jahren bröckelten die Quoten des Sat.1-Spektakels weg. Am vergangenen Mittwoch sahen nur noch 1,34 Millionen zu; fairerweise muss jedoch erwähnt werden, dass im ZDF die prinzipiell unbesiegbare Champions-League live übertragen wurde.
Oliver Kalkofe, dessen wunderbare geschmacklose, weil sehr direkte TV-Kritiken leider immer dort treffen, wo es ganz besonders weh tut, hyperventiliert bereits: Er findet „die Show so lustig wie einen Eimer Schweinemett.“ Jetzt entschuldigte er sich dafür via facebook: „Vor ein paar Tagen schrieb ich über die unfassbar langweilige Scheißigkeit von ´Promi Big Brother´ – wie gern würde ich diese Worte zurücknehmen... Und viel härter, gnadenloser und wütender formulieren!!!“
Tatsächlich kann auch der ungeheure technische Aufwand – die Protagonisten sind 70 Kameras rund um die Uhr ausgeliefert –nicht darüber hinwegtäuschen, dass der gigantomanischen SAT.1-Show ein gutes Storyboard fehlt oder ab und zu mal was schön Ekliges, das wenigstens den Brechreiz anregt. Stattdessen plapperten die freiwilligen Gefangenen bisher ununterbrochen irgendetwas vor sich hin, wobei das Üben aufregender Zungenbrecher wie etwa „Gibst du Opi Opium, bringt Opium Opi um“ zweifelsfrei zu den bisherigen inhaltlichen Höhepunkten dieses TV-Debakels gehörte. Zum Glück wussten die Protagonisten jedoch nicht, dass sie aufgrund enormer Tonprobleme in den ersten vier Showtagen kaum verstanden werden konnten, was selbst das süße Gefühl des Fremdschämens erschwerte. Doch für David Hasselhoff, der schon am vergangenen Dienstag den Container verließ, durfte man sich als Zuschauer freuen.
Thematisch herrscht unter den Bewohnern Müdigkeit, ob mit oder ohne Hasselhoff: Nun ja, die holländische Moderatorin Marijke Amado besiegte den Boxer Manuel Charr im Armdrücken, was wohl daran lag, dass Manuel sich auf Sarah Joelle konzentrierte, „die immer so etwas Kurzes an hat!“ Auch Jenny Elvers-Elbertzhagens erneute „Alkoholbeichte“ verlallte im Nirwana. Diese Ereignislosigkeit („Hatten wir eigentlich schon Duschen?“) wird auch durch die Doppelmoderation von Cindy von Marzahn und Oliver Pocher nicht farbenfroher. Oliver Kalkhofe regte in seiner gewohnt zurückhaltenden Art an, ob man den „Plapper Pocher“ und die „Rindswurst aus Marzahn“ nicht wegen Moderationsmord, Zuschauerfolter und Pointen-Totschlag anzeigen könne?
Tatsächlich ist es weniger als mittelmäßig, was diese beiden Gefängniswärter abliefern - Lichtjahre entfernt von Sonja Zietlow und dem verstorbenen Dirk Bach und ihren „ebenso eloquenten wie herablassend hämischen Kommentare zu den armen Wichten, die sich im australischen Kunstdschungel abmühten und als ironische Selbstspiegelung des gesamten Trash-Formats verstanden werden konnten“, wie es die Welt formulierte.
Bei SAT.1, wo das Spektakel einen ähnlich hohen Stellenwert wie eine Fußballweltmeisterschaft besitzt, gibt man sich kämpferisch: „Die Show läuft noch bis 27. September“, sagt eine Sprecherin, „dann wird Bilanz gezogen. Im Moment stehen wir nach sechs Folgen bei einen durchschnittlichen Marktanteil von 16,5 Prozent.“ Als ob das alles wäre, was zählt.