19 Stunden nach Beginn der Bergungsaktion ist das vor Giglio havarierte Kreuzfahrtschiff „Costa Concordia“ vollständig aufgerichtet worden. Projektmanager bezeichnet das Parbuckling als perfekte Operation.
Giglio/Rom. Bei einer beispiellosen Bergungsaktion ist das Wrack des Kreuzfahrtschiffes „Costa Concordia“ am Dienstag in eine aufrechte Position gezogen worden. Die am Vortag eingeleitete Operation sei um 4 Uhr und damit rund 19 Stunden nach Beginn der Bergungsaktion erfolgreich abgeschlossen worden, sagte der italienische Zivilschutz-Chef Franco Gabrielli vor Journalisten auf der Insel Giglio. Das 290 Meter lange Schiff lag seit mehr als 20 Monaten vor der Toskana im Mittelmeer.
Nach Abschluss des Parbucklings ertönte ein Nebelhorn, und der Leiter des Zivilschutzes, Franco Gabrielli, erklärte unter dem Applaus der Zuhörer, das Wrack habe eine vertikale Position erreicht. Der Zivilschutzchef und Vertreter der Bergungsteams umarmten sich.
„Wir haben die ‚Parbuckling-Operation’ vor ein paar Minuten abgeschlossen - so wie wir es gedacht hatten und so wie wir es gehofft hatten“, sagte Franco Porcellacchia, Projektmanager von der Kreuzfahrtgesellschaft Costa Crociere, der die „Costa Concordia“ gehört.
Parbuckling ist das Standardverfahren, mit dem gekenterte Schiffe wieder aufgerichtet werden. Bislang wurde es jedoch nie für so große Schiffe wie die „Costa Concordia“ angewendet. Es sei eine perfekte Operation gewesen, sagte Porcellacchia. Messungen hätten bislang zudem keine Hinweise darauf ergeben, dass dabei umweltschädliche Substanzen aus dem Wrack ins Meer gelangt seien.
Die „Costa Concordia“ war am 13. Januar 2012 mit 4229 Menschen an Bord gekentert. Bei dem Unglück starben 32 Menschen, darunter zwölf Deutsche. Die Aufrichtung des Schiffsrumpfes begann am Montag mit dreistündiger Verspätung.
„Ein wenig wie Achterbahn fahren“
Nach der Aufrichtung soll die „Costa Concordia“ mit ihren 14 Decks auf einer im Meeresgrund verankerten Plattform fixiert werden. Erst im Frühjahr, wenn die Winterstürme vorüber sind, kann das Schiff, das Passagiere einst mit einem Kasino und vier Pools lockte, an einen anderen Ort geschleppt werden, um auseinander montiert und verschrottet zu werden.
Ein Jahr lang hatten Spezialisten das Mammut-Projekt vorbereitet. Für das Aufrichten des Wracks wurden unter anderem 36 schwere Stahlseile eingesetzt. „Ich bin erleichtert“, sagte der südafrikanische Experte Nick Sloane, der den Einsatz mit 500 Mitarbeitern koordiniert hatte, nach dem erfolgreichen Abschluss. „Es war ein wenig wie Achterbahn-Fahren“, sagte Sloane, „ich bin erleichtert und stolz, so wie mein Team. Und ich bin ein bisschen müde, ich werde ein Bier trinken und schlafen.“
Im Hafen von Giglio brandete Applaus auf. Und auch die Einwohner Giglios reagierten erleichtert. „Ich verspüre eine tiefe Zufriedenheit, das war heute ein großartiges Ergebnis nach einem Jahr intensiver Arbeit“, sagte der Bürgermeister der italienischen Mittelmeer-Insel, Sergio Ortelli, am frühen Dienstagmorgen nach dem Ende der riskanten Aktion.
Millimeter für Millimeter
Die italienischen Einsatzkräfte hatten am Montagmorgen damit begonnen, das Wrack des Luxusliners von dem Felsen anzuheben, wo es auf Grund gelaufen war. Die schwierige Bergungsoperation dauerte länger als erwartet. In den ersten drei Stunden der Bergungsaktion hatte sich der Stahlkoloss nicht bewegt. Mit Seilen, Flaschenzügen und Schwimmkörpern wurde der Stahlkoloss schließlich Millimeter für Millimeter in die Senkrechte gebracht.
Eine erste Inspektion nach der Aufrichtung habe ein „ziemlich schlechtes Bild“ von der Seite ergeben, die die gesamte Zeit im Wasser gelegen hatte, sagte Porcellacchia. Auf die Bergungskräfte wartet nun eine Menge Arbeit, um das Schiff weiter zu stabilisieren und halbwegs seefest zu machen.
An den Teilen des Wracks, die aus dem Wasser gezogen wurden, waren deutliche Rost-Spuren zu erkennen. Im Wrack oder am Meeresgrund wurde noch zwei Leichen vermutet, die im vergangenen Jahr nicht gefunden worden waren - die einer italienischen Mitreisenden und die eines indischen Angestellten.
Die „Costa Concordia“ ist dreimal so lang wie ein Fußballfeld, mehr als doppelt so groß wie die „Titanic“ und wiegt mehr als 100.000 Tonnen.
Kosten von bis zu 800 Millionen Euro
Für die Bergungsarbeiten wurden bislang schon umgerechnet 600 Millionen Euro ausgegeben. Es wird damit gerechnet, dass sie sich am Ende auf mehr als 800 Millionen Euro summieren. Für den Ingenieur Franco Porcellacchia, der im Auftrag des Schiffseigners Carnival an der Bergung beteiligt war, hätte die Operation „nicht besser laufen können“.
Bei der Evakuierung in der Januar-Nacht gab es chaotische Szenen sowie zahlreiche Probleme und Verzögerungen.
Wegen der Havarie waren im Juli gegen einen Reedereivertreter und vier Besatzungsmitglieder Haftstrafen zwischen 18 und 34 Monaten, unter anderem wegen fahrlässiger Tötung, verhängt worden. Das Verfahren gegen Kapitän Francesco Schettino vor einem Gericht in Grosseto in der Toskana läuft noch. Schettino wird vorgeworfen, das Schiff zu nahe an die Küste manövriert zu haben. Er muss sich wegen fahrlässiger Tötung und des vorzeitigen Verlassens des Schiffes verantworten.