Der Schlagersänger überrascht auf seinem neuen Album mit bekannten Liedern von Rammstein und Den Ärzten. Manager: Eine Hommage.
Hamburg. Heino? Ja, Heino. Er hat ein neues Album eingespielt. Der ungekrönte Schlagerkönig Deutschlands. Bariton aller Baritone. Die Inkarnation der Sonnenbrillen. Der fröhlichste Sänger von Volksliedgut - sehr gern bis zum Abwinken. Und wenn noch Platz ist auf der Platte, Lieferant der Nationalhymne als Zugabe.
Ja, genau dieser Heino hat es mal wieder geschafft. Auf seinem neuen Album "Mit freundlichen Grüßen" singt der 74-Jährige Lieder von bekannten deutschen Bands - darunter Die Ärzte, Rammstein, Peter Fox, Sportfreunde Stiller und Marius Müller-Westernhagen. "Er möchte sich natürlich auch einen Spaß erlauben", sagte Heino-Manager Jan Mewes am Donnerstag in Hamburg. "Er möchte den Kollegen, die ihn jahrelang (...) veräppelt haben, einfach auch mal einen Spiegel vorhalten." Es sei aber auch als Hommage an die deutsche Rock- und Popmusik zu verstehen. "Eigentlich sind die Lieder, die er aufgenommen hat, schon Volkslieder geworden, weil sie im Repertoire der Deutschen verankert sind", sagte Mewes. Außerdem wolle der Musiker seinen Fans tolle deutschsprachige Lieder aus dem Pop- und Rockbereich vorstellen. Den Song "Sonne" von Rammstein, den Heino covert, bezeichnete der Künstler in der "Bild"-Zeitung als "ein wirklich schönes Stück Volksmusik".
Jetzt singt Heino jedenfalls keine Volkslieder. Keine Volkslieder im allgemeinen und anerkannten Sinne des Genres. Also kein Melodie gewordenes Nationalpathos. Volkslieder aber schon. Sagt jedenfalls Heino. Nur eben andere Volkslieder als sonst. Heino hat sich einfach die schönsten Lieder der schönsten deutschen Rockbands geschnappt.
Das Ergebnis ist, kurz gesagt, einfach nur fantastisch. "Junge", zum Beispiel. Ein sozialkritisches Stück ist das gewesen von den Ärzten. Eine Anklage gegen die Alten, welche nichts Besseres zu tun haben, als ihren Kindern geistige Handschellen anzulegen, um ihre kreative Entfaltung mit Wohnzimmerstaub zu ersticken. Nun die Version von Heino. Mit Big-Band-Posaunen und Backgroundgesang, und dann natürlich mit der Stimme von ihm, Heino.
Aber ansonsten ist nichts verändert, kein Jota - aus rechtlichen Gründen. Man darf nachsingen, parodieren, aber nicht verändern - sonst wäre es ein Plagiat. Möglicherweise bewegt sich Heino damit auf wackligem rechtlichen Terrain. Selbstverständlich hat Heino nicht gefragt, ob er darf, was er tat. Warum auch? Er hat ja auch Hoffmann von Fallersleben nicht gefragt, ob er die Nationalhymne singen darf. Oder Wen-auch-immer, ob er das Lied von der schwarzbraunen Haselnuss für immer (und in seiner Interpretation) in den Erinnerungsschatz aller Deutschen einbrennen darf.
Sein Management bestätigte, dass keine der Bands vorher um Erlaubnis gefragt wurde. Ein Cover ohne Zustimmung sei aber erlaubt, wenn das Originalwerk nicht verändert werde, sagte Musikrechtsexperte Hans-Jürgen Homann. Sobald ein Künstler ein Werk bearbeite, brauche er die Freigabe des Urhebers. "Melodie, Instrumentalisierung, Text und Struktur des Liedes müssen beibehalten werden." Text und Melodie sind also geblieben. Nur dass eben der Bariton von Heino losschmettert "Junge - warum hast du nichts gelernt?" Und auch als Freund der Version, pardon: des Originals der Ärzte, man kann nicht anders, als es sofort und sehr zu mögen.
Die Chancen stehen sehr gut, dass die sozialkritischen Lieder ihrer Urheber ausnahmsweise mal dort ankommen, wo "immer dieser Lärm" der Ärzte, Rammstein, Westernhagen für gewöhnlich nicht hingelangen. In Heinos Version wird es zur Sozialkritik, die nicht nur von den Kritikern, sondern direkt von den Kritisierten angenommen werden könnte. Weil Heino sich auf den Weg gemacht hat, um seine treue Kundschaft einzuspannen für die Sache der Sozialkritik.
Heino hat sich für seine Platte das wahrscheinlich allerbrutalste Stück Musik genommen, das es gibt: "Sonne" von Rammstein. "Sonne" ist so martialisch, dass man sich ein bisschen scheut, Lied dazu zu sagen. Wie es in der Heino-Version klingt, ist noch nicht bekannt, aber nach seiner Interpretation von "Junge" vorstellbar. Nun müssten Heino die Herzen zufliegen. Auch die Herzen der Komponisten. Heino-Manager Mewes erklärte dagegen, er habe eine Nachricht von Heinos Plattenfirma Starwatch Entertainment bekommen: Demnach sollen die Ärzte mit einer sechsstelligen Schadenersatzklage drohen, falls das bereits produziertes "Junge"-Video veröffentlicht und für Werbezwecke genutzt wird.
Heino ist Kritik gewohnt. Er wird auch diese Kritik wegstecken. Genauso wie er bisher jede Kritik weggesteckt hat. Heino, ach Heino. Was immer wir bisher von seiner Musik hielten - dies ist eine großartige Idee. Eine wunderbare Platte.
Wer sich traut: unten findet sich übrigens die blondbehaarte, sonnenbebrillte, schwarz-braun-haselnussige und überdies völlig belanglose Version von „Junge“:
Heino - Junge
„Mit freundlichen Grüßen“ erscheint am 1. Februar.