Für seine Schwaben-Lästerei erhält Thierse harsche Kritik. Die CDU kontert mit „totalem Stuss“, die FDP will ihm an den Bart.
Stuttgart/Berlin. Die Schwaben-Lästerei des Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Thierse (SPD) zieht immer weitere Kreise. Seinen Hinweis, die Äußerungen über den fehlenden Integrationswillen der Schwaben in Berlin mit Humor zu nehmen, fand etwa die baden-württembergische CDU gar nicht lustig. „Herr Thierse versucht, ein billiges Hintertürchen zu nehmen, indem er sich jetzt mit „Humor“ herausreden will“, reagierte CDU-Landeschef Thomas Strobl am Mittwoch erbost. Thierses Äußerungen seien „totaler Stuss“.
Strobl, der als Bundestagsabgeordneter oft nach Berlin reist, erinnerte den Parlamentsvize daran, „dass Multikulti mit dem Respekt vor den eigenen Landsleuten beginnt“. Nicht zuletzt sollten sich die Berliner mit Blick auf den Länderfinanzausgleich gut überlegen, mit wem sie sich anlegen. „Es sollte nicht ganz vergessen werden, welch grenzenlose Solidarität gerade Berlin über Jahrzehnte erfahren hat.“
Mit etwas mehr Humor reagierte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke: „Wir machen ein Toleranzabkommen mit Thierse: Er akzeptiert, dass die Schwaben Kehrwochen abhalten und die Schwaben, dass er Friseure meidet“, twitterte er auf Twitter. Dort nahm auch der Grünen-Politiker Alexander Bonde die auffällige Gesichtsbehaarung auf’s Korn. „Mal ehrlich, der Humor von Thierse hat schon lang so nen Bart“, schrieb der baden-württembergische Verbraucherminister.
Baden-Württembergs Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) fand im „Berlin-Streit auf Schwäbisch“ eher versöhnliche Worte. Die Weltmetropole Berlin ziehe viele Menschen an, „auch viele Binnenmigranten innerhalb Deutschlands“. Die Berliner seien gut auf diese Vielfalt eingestellt, meinte Öney.
Wenn Schwaben nicht „Schrippe“ sondern „Wecken“ sagen, sei das für sie kein Drama. „Im Gegenteil: Der Berliner würde locker reagieren und sagen: „Davon jeht die Welt ooch nich unter„“, sagte Öney, die fast 40 Jahre in Berlin gelebt hat. Mit einem Augenzwinkern fügte sie hinzu: „Obwohl es korrekterweise natürlich „Brötchen“ heißen muss.“
Thierse hatte sich in einem Zeitungsinterview abfällig über die Schwaben in Berlin geäußert. „Ich ärgere mich, wenn ich beim Bäcker erfahre, dass es keine Schrippen gibt, sondern Wecken“, sagte er. „In Berlin sagt man Schrippen – daran könnten sich selbst Schwaben gewöhnen.“ Als erste kritische Reaktionen kamen, warf er den Schwaben zudem fehlenden Humor vor.
Inzwischen zeigt sich der eingefleischte Berliner jedoch friedfertiger. In den „Stuttgarter Nachrichten“ (Donnerstag) kündigte er an, im Sommer wieder Urlaub in Baden-Württemberg machen zu wollen. Und mehr noch: Er könne sich sogar „gut vorstellen, in Tübingen, Freiburg oder Konstanz zu leben“.
Thierse stellte klar, dass er keinesfalls den Fleiß der Schwaben in Abrede stellen wollte. Er habe sich lediglich darüber geärgert, „dass die Schwaben erwarten, dass es in Berlin so ordentlich zugeht wie in Schwaben“. Mit den darauffolgenden Anfeindungen habe er nicht gerechnet. Die „Heftigkeit der Beschimpfungen“ habe ihn erschreckt.
Damit Thierse künftig über das Geschehen im Ländle informiert ist, hat der Kunstsammler und Pharma-Unternehmer Friedrich Rentschler aus dem oberschwäbischen Laupheim ihm ein Abonnement der „Schwäbischen Zeitung“ geschenkt. „Herr Thierse soll ab sofort täglich etwas über die Schwaben erfahren und sehen, dass wir da unten auch Kultur haben“, sagte der 80-Jährige dem Blatt (Donnerstag). Das Abonnement gelte für ein halbes Jahr und werde gegebenenfalls verlängert. Aus Thierses Berliner Büro hieß es allerdings: „Herr Thierse hat zwei schwäbische Mitarbeiter, die ihn ausreichend informieren.“