Rund 10 Terabyte an Daten hat die Telekom-Tochter ImmobilienScout gesammelt. Diese sind nützliches Material für Makler und Stadtplaner.

Berlin. „Viele können sich eine Wohnung im Prenzlauer Berg nicht mehr leisten, sie ziehen weiter nach Kreuzberg und Neukölln.“ Was das Schlagwort Gentrifizierung in Berlin und anderen Städten bedeutet, sieht Marc Stilke auf einem interaktiven Stadtplan der Hauspreise und Mieten, ergänzt um Daten wie Kaufkraftindex und Arbeitslosigkeit. Die von ihm geführte Firma ImmobilienScout, Tochter der Deutschen Telekom und Marktführer bei der Online-Immobilienvermittlung, verwendet die Daten ihrer Plattform Immobilienscout24.de für detaillierte Analysen des Häuser- und Wohnungsmarktes.

Auch für Hamburg hat das Unternehmen festgestellt: „Steigende Mieten verdrängen alteingesessene Bevölkerung.“ So werde der traditionelle Arbeiterbezirk St. Pauli gerade richtig teuer, heißt es im „Immobilienreport 2012“ der Firma. Nach Jahrzehnten der relativ stabilen Entwicklung habe die Finanzkrise seit 2007/2008 sehr viel Dynamik in die Branche gebracht, erklärt Geschäftsführer Stilke. Die Nachfrage nach Wohnungen und Häusern als Anlageobjekt habe sich seit 2007 verfünffacht. Der Manager spricht von einer „Flucht in Betongold“. Und die Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen: Denn „wenn Sie Berlin mit London vergleichen, ist das immer noch günstig“.

Bis auf Straße und Hausnummer genau zeigt der „MarktNavigator“ von ImmobilienScout mit farbigen Markierungen an, wie hoch dort und in der Nachbarschaft das Niveau von Mieten und Hauspreisen ist. Darunter zeigt ein Säulendiagramm Angebot und Nachfrage für das jeweilige Viertel an, gestaffelt nach Wohnraumgröße und Preisen.

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Das Online-Analyse-Werkzeug, das Maklern für 99 Euro im Monat angeboten wird und sich unter anderem auch an Stadtplaner richtet, sei ein Ansatz für „Big-Data-Analysen“, erklärt Stilke. „Big Data“ ist ein aktuelles Schlagwort der IT-Branche – der Bedarf an der intelligenten Auswertung großer Datenmengen wächst. Die beiden Rechenzentren von ImmobilienScout in Berlin und Hamburg haben seit 2007 rund 10 Terabyte an Daten gespeichert. Sollten nicht alle Nutzer einen Zugriff darauf haben? „Wir vertreten eine kontrollierte Open-Data-Philosophie“, antwortet Stilke. „Grundsätzlich stellen wir die Daten zur Verfügung, aber so, dass es rechtlich und von der Business-Logik stimmig ist.“

Neben den Daten der eigenen Plattform werden für den MarktNavigator auch die öffentlich sichtbaren Daten von Konkurrenzplattformen wie Immonet oder Immowelt sowie Immobilienanzeigen aus Tageszeitungen ausgewertet. Diese werden dann in Bezug gesetzt zu sozialen und ökonomischen Daten aus anderen Quellen. „Künftig wollen wir noch weitere Daten einbeziehen, etwa den CO2-Atlas der Kohlendioxid-Emissionen.“

Monatlich gehen bei ImmobilienScout mehr als sieben Millionen Miet- oder Kaufanfragen ein, entweder direkt auf der Internet-Plattform oder über Kooperationspartner wie Meinestadt.de. Ein Viertel der Anfragen kommt über mobile Endgeräte. Der Suchprozess dauert nach Angaben Stilkes bei Mieten durchschnittlich zwei Monate, bei einem Kauf sechs Monate. Die Datenbank umfasst etwa 1,5 Millionen Immobilien. „Als Marktplatz müssen wir immer zwei Zielgruppen im Blick haben, die Menschen, die suchen, und die Anbieter“, erklärt Stilke. „Als Plattform müssen wir immer den richtigen Weg zum Ausgleich finden.“

Angesichts absehbarer Wachstumsgrenzen im Kerngeschäft der Vermittlung sieht sich Immobilien-Pfadfinder Stilke ständig nach Möglichkeiten zur Ausweitung der Geschäfte um. Neben Standortanalysen und Immobiliengutachten sind das unter anderem Angebote für den Vergleich von Baufinanzierern oder Umzugsunternehmen sowie Dienste für das Online-Marketing von Immobilienfirmen. Zum Umsatz macht die GmbH keine Angaben. Der Umsatz der gesamten Scout-Gruppe wird auf 300 bis 400 Millionen Euro geschätzt; dabei entfällt der größte Teil auf Immobilienscout24.de vor Autoscout24.de.

„Mit einem Alter von zwölf Jahren und 600 Mitarbeitern gehören wir bereits zu den etablierten Internet-Unternehmen“, sagt Stilke. Umso mehr müsse man auf der Hut sein, nicht durch einen neuen Technologiesprung ins Abseits zu geraten. Auch deswegen hat sich ImmobilienScout ein Startup-Lab ins Haus geholt. „Der Inkubator You Is Now konfrontiert uns mit frischen Ideen und gibt unserer Unternehmenskultur wieder das Gefühl, was es heißt, bei einem Startup zu arbeiten“, erklärt Stilke.

Vier Projekte haben dort für die Dauer eines Jahres einen Arbeitsplatz sowie fachliche und finanzielle Unterstützung bekommen. „Nach einem Jahr gibt es drei Möglichkeiten“, erklärt Lab-Manager Holger Dieterich: „Entweder es funktioniert nicht oder das Startup erhält eine Folgefinanzierung oder wir integrieren die Ergebnisse bei ImmobilienScout.“ Auf jeden Fall aber biete das Lab die Möglichkeit, ganz neue Dinge auszuprobieren.