Es geht nicht um Sorgen und Ängste, sondern um die Leichtigkeit, genauer gesagt: Um die seichte Unterhaltung. Casting-Shows.
Hamburg. In den Zeiten der Krise gibt es etwas, was Hochkonjuktur hat: Casting-Shows. Wer oder was wird eigentlich nicht gecastet? Heidi Klum sucht „Germany’s next Topmodel“, Til Schweiger will einen Hollywoodstar aus seiner neuen Sendung hervorbringen und Sandy Meyer-Wölden sucht einen Top-Friseur. "Deutschland sucht den Superstar" ist schon lange ein Straßenfeger. Und auch DJ Bobo springt mit „Germany’s next Showstars“ auf den Casting-Show-Zug. Die Frage ist, wie weit wird er fahren? Schafft er es bis zum nächsten Bahnhof – oder steigen die Fahrgäste auf halber Strecke aus, weil sie merken, dass das Ziel dann doch zu langweilig wird?
Was am Anfang des Casting-Zeitalters mit „Popstars“ (aus denen die „No Angels“ hervorgingen) vor neun Jahren begann, kosteten die Sender von nun an aus. Ein "Casting-Krieg" brach aus, der bis jetzt nicht endete. Schließlich bringt es Quote - Geld. Es wird wild durch die Republik wie am Fließband gecastet. An Teilnehmern mangelt es bis zum heutigen Tage nicht. Wer will kein Star sein, in Champagner baden, Kaviar essen, die Länder der Welt bereisen, sich vom Geldregen übergießen lassen, sorgenfrei sein? Ein Trugschluss.
Kandidaten müssen sich für eine solche Fernseh-Produktion teilweise ein halbes Jahr Auszeit von der Arbeit, der Schule oder dem Studium, quasi dem ganzen vorherigen Leben nehmen, sich in ein „Bootcamp“ begeben, in dem sie „gedrillt“, von einer Jury bewertet und teilweise erniedrigt werden, mit den Medien auseinandersetzen und schließlich in eine Form pressen lassen. Am Ende einer solchen Casting-Staffel kommt ein fabrikfrischer „Star“ heraus - und der entschwindet dann oft nach kurzem Interesse schnell in die Bedeutungslosigkeit. Mit dem Etikett "bedeutungslos" wurden bereits viele andere seiner Art ausgezeichnet. Sie sind alle einheitlich, angepasst – Fabrikate vom Fließband eben.
Wer wirklich von dieser Maschinerie profitiert, ist nur der jeweilige Sender, der die Naivität und Hoffnungen der Casting-Kandidaten ausnutzt. Er produziert und produziert; und ist dabei so unermüdlich wie das Duracell-Häschen. Die Nachfrage ist da, Käufer gibt es gerade genug. Noch schmeckt es den Zuschauern, was ihnen serviert wird, doch es wird die Zeit kommen, in der sie nach etwas anderem verlangen. Süß und verführerisch sind auch Schokoküsse, doch wer mag sich bis an sein Lebensende von ihnen ernähren?
Erinnert man sich an Produkte, wie die unzählbar vielen Talkshows, welche früher auf den Privatsendern liefen, erschaudert man. Sie trafen nach einiger Zeit nicht mehr den Geschmack der Zuschauer, waren ausgeluscht wie ein fader, alter Drops. Die Reality-TV-Sendung „Big Brother“ (welche gefühlt schon in der tausendsten Staffel läuft) verursacht bloß ein Kribbeln im Zeigefinger, weil man umschalten will. Gerichtsshows waren irgendwann einfach nur zum Gähnen. Man hat alles schon mal gesehen, von allem gekostet. Es wiederholt sich, wie in einem nie enden wollenden Déjà-vu. Man fühlt sich so ähnlich wie in dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“: Was anfangs vielleicht spannend erschien, ermüdet, verärgert und lässt schließlich verzweifeln. An der Fernsehwelt zweifeln.
Für Fernsehformate bedeuteten solche Reaktionen erst den Stillstand, einen Rückgang von Einschaltquoten und schließlich den Tod, weil sie ausgereizt sind. Medienwissenschaftler haben bereits das Ableben dieser Sendungen vorausgesagt. Noch halten sie sich, doch es ist eine Frage der Zeit, denn: Nur das, was nicht alltäglich ist, hat besonderen Wert und ist attraktiv. Oder ganz banal: Willst du gelten, mach dich selten. Lässt sich bestimmt auch auf Fernsehformate übertragen.