Der Streit um die Ausflaggung des letzten großen Kreuzfahrtschiffs unter deutscher Flagge wird rauer. Der Kapitän der „Deutschland“ wurde in London von Bord geschickt. Die Besitzer wollen die das ZDF-„Traumschiff“ unter der Flagge Maltas fahren lassen.
London/Hamburg. Zoff auf dem „Traumschiff“: Im Streit um die geplante Ausflaggung der „Deutschland“ schlagen die Wellen hoch. Nach einer Auseinandersetzung mit dem Eigner sei der Kapitän des Schiffes, Andreas Jungblut, von Bord geschickt worden, berichtete die „Bild-Zeitung“ (Freitag). Millionen TV-Zuschauer kennen die „Deutschland“ aus dem Fernsehen als ZDF-„Traumschiff“. Der Zeitpunkt des Streits ist brisant: Derzeit liegt sie als deutsches Olympiaschiff in London.
Die Reederei wies die Darstellung zurück. Jungblut sei nicht von Bord gejagt worden, sagte Reedereisprecherin Kornelia Kneissl der dpa am Freitag. Der Kapitän sei während seines schon lange geplanten Urlaubs an Bord gekommen. „Daraufhin wurde er gefragt, warum er nicht seinen Urlaub genieße. Das hat er wohl als unfreundlichen Rauswurf aufgefasst“, sagte Kneissl. „Geschäftsführung und Eigner würden sich wünschen, zu einer sachlich-konstruktiven Argumentation zurückzukehren“, sagte sie.
Hintergrund des eskalierten Streits sind Pläne des Münchner Finanzinvestors Aurelius, die „Deutschland“ künftig unter der Flagge Maltas fahren zu lassen. Sie ist das letzte große Kreuzfahrtschiff unter deutscher Flagge. Aurelius hatte die Reederei Deilmann mit Sitz in Neustadt in Schleswig-Holstein nach deren Insolvenz im Sommer 2010 übernommen. Die Ausflaggungspläne begründete Aurelius mit der Kürzung der Schifffahrtshilfen durch die Bundesregierung.
Das sei eine normale unternehmerische Entscheidung und werde keinen Einfluss auf Service und Qualität an Bord haben, hieß es im Mai. Durch den Wechsel in ein ausländisches Schiffsregister spart der Reeder Geld, weil er die Besatzung nach für ihn günstigeren internationalen Tarifen bezahlen und auch mehr ausländische Seeleute einstellen kann.
Gegen diese Pläne macht Jungblut vehement und öffentlich Front. Die „Bild-Zeitung“ zitierte aus einem Brief des Kapitäns an Bundespräsident Joachim Gauck. Darin heiße es unter anderem, die Crew der „Deutschland“ meine, dass das Schiff sehr wohl unter deutscher Flagge wirtschaftlich fahren könne. „Man wechselt die Flagge nicht wie ein Unterhemd.“ Nach Angaben des Bundespräsidialamts wird Gauck am Samstag zu einem Frühstück mit Jugendlichen des Olympischen Jugendlagers auf der „Deutschland“ erwartet.
Die „Deutschland“ der Reederei Deilmann liegt in London vor spektakulärer Kulisse – umrahmt von den Wolkenkratzern des Bankenviertels Canary Wharf. Am Mittwoch während des Tages habe Kapitän Jungblut noch fröhlich gewirkt. So hatte er mit dem deutschen Botschafter in London, Georg Boomgarden, auf dem Sonnendeck des Schiffs gescherzt. Am Abend wurde er dann der „Bild“ zufolge von Bord geschickt.
Die Gewerkschaft Verdi vermutet, dass das Engagement ihres Mitglieds Jungblut gegen den Flaggenwechsel der Reederei und ihrem neuen Eigner ein Dorn im Auge sein könnte. „Andreas Jungblut ist ganz klar gesagt worden: „Sie verlassen jetzt das Schiff“, sagte der Bundesfachgruppenleiter Schifffahrt der Gewerkschaft, Karl-Heinz Biesold. Er berichtete auch von Bestechungsversuchen. Einzelnen Besatzungsmitgliedern sei Geld geboten worden, wenn sie sich nicht an die Gewerkschaft wenden, sagte er. Die Ausflaggung werde Verdi nicht verhindern können, aber man werde für die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung der Mitarbeiter kämpfen, sagte Biesold.
Das rund 175 Meter lange Schiff wurde in Kiel gebaut und im Mai 1998 vom damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker getauft. In die Schlagzeilen geriet es im Mai 2010, als während einer Norwegen-Reise ein Feuer im Maschinenraum des Schiffes ausbrach. Die rund 600 Passagiere und Besatzungsmitglieder konnten unverletzt von Bord gebracht werden. Wenige Monate später wurde das Flaggschiff der Reederei Deilmann von Aurelius übernommen.
Auf der interaktiven Karte können Sie die Route der Sportler auf der "MS Deutschland" und den weiteren Ablauf im Hamburger Hafen verfolgen.