Mehr als 8000 schwache Beben wurden in den letzten drei Monaten auf El Hierro registriert. Die Angst vor einem Vulkanausbruch wächst.

Madrid. Die Bewohner der Kanaren-Insel El Hierro sitzen auf gepackten Koffern. Sie haben wichtige Utensilien wie Ausweise, Transistorradios oder Taschenlampen zurechtgelegt, um im Falle eines Vulkanausbruchs auf eine Evakuierungsaktion vorbereitet zu sein. Seit drei Monaten bebt und zittert auf El Hierro die Erde. Mehr als 8000 Beben wurden registriert.

Zwar waren die Erdstöße mit einer Stärke von maximal 3,8 schwach, nur etwa ein Dutzend war für die Bevölkerung zu spüren. Aber sie gelten als ein Vorzeichen, dass auf der Insel ein Vulkanausbruch bevorstehen könnte. Die gut 10.000 Bewohner nahmen das Zittern der Erde anfangs ziemlich gelassen hin, aber nun wächst die Angst.

Denn die Intensität der Beben nimmt zu. Die Behörden gaben eine Vorwarnung heraus, stellten die Vulkan-Ampel auf Gelb und bereiteten Evakuierungen vor. Mehr als 50 Bewohner mussten ihre Häuser verlassen, Kinder bekamen schulfrei und der Tunnel an der Straße zwischen den Hauptorten Valverde und Frontera wurde gesperrt.

Unter der Insel haben sich Magma-Massen angesammelt und den Boden stellenweise um 35 Millimeter angehoben. Ob das Magma bis an die Erdoberfläche dringt, ist ungewiss. „Man geht nicht davon aus, dass ein Vulkanausbruch unmittelbar bevorsteht“, betonte die Regierung der Kanaren. Wissenschaftler bezifferten die Wahrscheinlichkeit eines Vulkanausbruchs in den nächsten Wochen oder Monaten auf 10 bis 15 Prozent.

Sollte es zu einer Eruption kommen, weiß niemand, an welcher Stelle sie sich ereignen würde. El Hierro verfügt nicht wie andere Vulkane über einen großen Krater, sondern über Hunderte von kleinen Trichtern. Die auf die Insel entsandten Vulkanologen Itahiza Domínguez und Víctor Villasante gehen davon aus, dass das Magma bei einer Eruption durch keinen der bestehenden Krater austreten, sondern sich einen neuen Riss in die Erdoberfläche bahnen würde.

Den letzten Vulkanausbruch auf den Kanaren hatte es 1971 auf La Palma gegeben. Die Eruption vor 40 Jahren verlief harmlos. Der einen Berghang hinabfließende Lavastrom lockte sogar Touristen auf die Insel. So etwas könnte sich auf El Hierro wiederholen. „Es ist verständlich, dass die Menschen erschrocken sind, aber es besteht keinerlei Gefahr“, sagte der Vulkanologe Eumenio Ancochea der Nachrichtenagentur Efe. „Bei Vulkanausbrüchen auf den Kanaren fließt die Lava nur langsam voran, und man kann bequem Fotos machen.“

Die Kanaren sind vulkanische Inseln, die sich vor Millionen von Jahren aus dem Meer erhoben haben. Im Laufe der Zeit ereigneten sich einige gigantische Katastrophen. Auf El Hierro zum Beispiel, das vor etwa einer Million Jahren entstand und damit die jüngste der Inseln ist, brach vor etwa 130 000 Jahren ein Teil der Insel ab, rutschte ins Meer und löste eine riesige Tsunami-Welle aus. Auch La Palma ruht auf einer wackeligen Basis. Britische Wissenschaftler legten vor elf Jahren eine Studie vor, wonach die Insel eines Tages in sich zusammenbrechen und im Atlantik versinken könnte. Spanische Experten wiesen die Prognose als Panikmache zurück.

Auf El Hierro betonen die Verantwortlichen immer wieder, dass für die Bevölkerung keine Gefahr bestehe. „Wir erwägen in keinem Fall, die ganze Insel zu evakuieren“, sagte der kanarische Sicherheitschef Juan Manuel Santana. Bei einem Vulkanausbruch sei im schlimmsten Fall geplant, 4000 Menschen in Sicherheit zu bringen. „Anders als Erdbeben kündigen sich die Eruptionen vorher an“, betonte der Geologe José Luis Barrera. Das spanische Geografie-Institut hat auf den Kanaren seit dem 15. Jahrhundert elf Eruptionen verzeichnet. In einigen Fällen kamen auch Menschen ums Leben.

El Hierro ist die am weitesten westlich liegende Insel des Archipels. Sie verfügt kaum über Badestrände und blieb daher abseits der Ströme des Massentourismus. Seit Beginn der Geschichtsschreibung wurde dort noch kein Vulkanausbruch registriert. Im Jahr 1793 ereignete sich eine Serie von Erdbeben. Ob es damals auch zu einer Eruption kam, ist nicht eindeutig belegt.