Laut Kirchenstatistik traten im vergangenen Jahr mehr Mitglieder aus der katholischen Kirche in Deutschland aus, als neu getauft wurden.
Bonn. Die katholische Kirche in Deutschland hat im vergangenen Jahr Hunderttausende Mitglieder verloren. Nach offiziellen Zahlen der Deutschen Bischofskonferenz vom Freitag in Bonn erklärten im vergangenen Jahr 181.193 Katholiken ihren Austritt aus der Kirche. Die Zahl der registrierten Taufen lag bei 170.339. Damit verließen laut Kirchenstatistik erstmals in einem Jahr mehr Mitglieder die Kirche, als neu getauft wurden. Die Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ forderte als Reaktion auf den Mitgliederschwund mehr Dialogfähigkeit von der Kirche.
Anfang 2010 waren Berichte über zahlreiche Fälle von sexuellem Missbrauch in katholischen Einrichtungen bekanntgeworden. In den Folgemonaten kam es zu einer regelrechten Austrittswelle in vielen Bistümern. Im Vergleich zu 2009 stieg die Zahl der Austritte um 47 Prozent. Damals waren knapp 124.000 Katholiken ausgetreten.
Rund 253.000 Kirchenmitglieder starben im vergangenen Jahr. Der Anteil der Katholiken an der Gesamtbevölkerung sank damit insgesamt um 0,3 Punkte auf 30,2 Prozent. Demnach lebten 2010 noch rund 24,65 Millionen Katholiken in den 27 Bistümern.
Zahl der Taufen sinkt seit Jahrzehnten
Allein im Erzbistum München und Freising kehrten der Statistik zufolge mehr als 21.000 Menschen ihrer Kirche den Rücken. Im Bistum Augsburg, wo Bischof Walter Mixa nach anhaltenden Berichten über Misshandlungsvorwürfe seinen Rücktritt erklärte, verdoppelte sich die Zahl der Austritte im Vergleich zum Vorjahr nahezu. Lediglich im Jahr 1992 hatte die katholische Kirche in Deutschland mit 192.000 Austritten einen noch größeren Mitgliederschwund zu verzeichnen.
Die Zahl der Taufen ist auch aufgrund des demografischen Wandels seit Jahrzehnten rückläufig. Lag sie Anfang der 60er Jahre noch bei rund 500.000 im Jahr, pendelte sie von Mitte der 70er Jahre an lange Zeit zwischen 250.000 und 300.000. Im Jahr 2005 wurde erstmals die Marke von 200.000 unterschritten. Im Jahr 2007 war die Zahl der Taufen mit rund 186.000 noch doppelt so groß wie die der Austritte.
Keine Wende mit Papstbesuch erwartet
„Die Austrittszahlen spiegeln nicht den Ernst der Lage wider“, sagte der Sprecher der Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“, Christian Weisner, der Nachrichtenagentur dapd. „Ich befürchte, dass der Papstbesuch noch keine große Wende bringt“, fügte Weisner mit Blick auf den geplanten Deutschlandbesuch von Benedikt XVI. im September hinzu. Die katholische Kirche sei im Augenblick zu sehr mit sich selbst beschäftigt und schaffe es nicht, ihre Botschaft an die Menschen zu bringen. Sie müsse sich selbstkritisch fragen, warum die Menschen von ihr keine Antworten auf ihre existenziellen Fragen erwarteten.
Weisner forderte die Kirche auf, wieder „näher bei den Menschen zu sein“ und auch Alleinerziehende oder wiederverheiratete Geschiedene in den Gemeinden zu akzeptieren. „Wir brauchen eine Dialogkultur in der Kirche“, sagte Weisner, „die Kirche ist mit sich selbst und mit der Gesellschaft nicht dialogfähig.“ (dapd)