Kurz vor der Hochzeit von Prinz William und Kate überschlagen sich die Meldungen über Kutsche, Torte und Brautkleid. Doch viele Briten sind genervt.
London. Vier Wochen sind es noch bis zur Hochzeit im Königshaus, und doch fragen sich so manche Briten schon: Ist es nicht endlich vorbei? Während Millionen auf der ganzen Welt jede Einzelheit der Hochzeitsvorbereitungen - die Gästeliste, die Torte, die Kutsche, das Kleid - begierig verfolgen, wollen andere am liebsten gar nichts mehr davon wissen. Die laufenden Vorabberichte zur Vermählung von Prinz William mit Kate Middleton stehen in der Presse neben Schreckensmeldungen aus dem In- und Ausland wie Erdbeben, Tsunami und Atomkatastrophe in Japan oder Sparmaßnahmen, Stellenabbau und Inflation in Großbritannien. Kein Wunder, dass vielen die Feierlaune vergeht.
"Ich kann das alles nicht mehr hören", sagt Andreas Dopner, Doktorand am Londoner Imperial College. "Du siehst es im Fernsehen, im Internet, überall. Ich halte nichts davon, ein Königshaus zu haben, und ich finde, das Geld könnte man besser für etwas anderes ausgeben."
Reise-Boom über die Feiertage
Für viele britische Unternehmen ist die Prinzenhochzeit eine großartige Sache. Das internationale Interesse und der erwartete "Wohlfühlfaktor" dürften für Scharen zusätzlicher Besucher sorgen und in Hotels und Restaurants, Geschäften und Touristenattraktionen die Kassen klingeln lassen.
Doch zugleich steht auch ein Exodus bevor. Millionen Briten verreisen, weil der Tag der Prinzenhochzeit für die meisten ein Feiertag ist und so günstig zwischen Osterwochenende und Maifeiertag liegt. Schlaue Arbeitnehmer hatten schnell ausgerechnet, dass sie nur drei Urlaubstage nehmen müssen, um elf Tage am Stück frei zu haben. "Genau deshalb habe ich selbst auch gebucht", bekennt Sean Tipton vom Reisebüroverband, der deutlich mehr Buchungen von Auslandsreisen um das Hochzeitsdatum herum registrierte.
Wer im Land bleibt, wird sich am 29. April in London vor wehenden Flaggen und drängelnden Schaulustigen kaum retten können. Doch es gibt noch Briten, die das alles ganz kalt lässt. "Das ist eher was für die ältere Generation", findet der 19-jährige William Dobson. "Junge Leute interessieren sich viel mehr dafür, ein schönes Wochenende zu haben, als für die Hochzeit."
Alternative Hochzeitsfeiern
Wer dem Trubel entfliehen möchte, findet durchaus Alternativen. Eine vom englischen Royal-Rummel gänzlich unbeeindruckte Gruppe walisischer Nationalisten etwa organisiert ein "Flucht vor der Hochzeit"-Camp auf dem Land. Ein Kulturzentrum in Bristol veranstaltet eine Alternative Königliche Hochzeitsparty mit Kinderspielen, DJs und gespielten Eheschließungen. Für die Anwohner des Multikulti-Viertels ohne wirtschaftliche Perspektive sei die Prinzenhochzeit wahrlich nicht das Wichtigste, erklärt die Leiterin des Zentrums, Emma Harvey. "Die Leute haben das nicht unbedingt groß auf dem Schirm", sagt sie. "Sie halten das für eine ziemlich dekadente Veranstaltung."
Andere wünschen Kate und William alles Gute, haben aber die Kommerzialisierung und den Riesenwirbel um die Hochzeit satt. Die Schaufenster der Geschenke- und Andenkenläden landauf, landab sind zugepflastert mit Kaffeebechern, Tellern, Schlüsselbändern und Aschenbechern. Manches ist, man muss es so sagen, übler Kitsch.
Die Menschen haben andere Sorgen
Eine Londoner Kunstgalerie konterte mit einer Kollektion bunter Kate-und-William-Kotztüten, bedruckt mit dem Bildnis des glücklichen Paares. Die Tüten als Kommentar zu "dem ganzen kitschigen Kommerz" rund um die Hochzeit verkaufen sich gut, wie Galeriemitarbeiterin Ellie Phillips berichtet. "Wir sind nicht gegen das Ereignis selbst", beteuert sie. "Das ist etwas Nettes, Fröhliches, das vieleMenschen zusammenbringt. Es ist bloß die Art und Weise, wie es so schnell ausgeschlachtet und dazu genutzt wurde, so viel schlecht gemachten, billigen, kitschigen Kram auf den Markt zu werfen."
Gleichgültigkeit dem großen Ereignis gegenüber ist Musik in den Ohren der Gruppe Republic, die seit Jahren für die Abschaffung der Monarchie wirbt. Nun wittert sie Morgenluft und hofft auf tausende Besucher bei einem Straßenfest unter dem respektlosen Motto "Nicht die königliche Hochzeit" am 29. April in London.
Die Achtung vor der Monarchie sei gesunken seit der Thronbesteigung von Queen Elizabeth II. vor beinahe 60 Jahren und der Hochzeit von Prinz Charles und Lady Diana Spencer 1981, findet Republic-Sprecher Graham Smith. "Ich denke, die Leute reagieren nur noch mit einem Achselzucken", sagt Smith. "Wir haben nicht 1981, wir haben nicht 1952. Wir haben 2011, und die Menschen haben andere Sorgen."