Der historische Ortskern von Zell lief innerhalb kürzester Zeit voll. Die Lage an den Flüssen bleibt bundesweit angespannt

Zell/Koblenz. Im Haus von Joachim Lay steht das Wasser fast meterhoch. Der Keller ist bis zur Decke geflutet. Und vor die Tür kommt der Geschäftsmann nur mit Boot oder Hochwasserhose. Sein gut 100 Jahre altes Haus an der Uferpromenade in Zell gehörte zu den ersten, die beim Mosel-Hochwasser am Wochenende rasend schnell vollliefen. Die Schutzmauer des 5000-Einwohner-Städtchens hatte die Wassermassen nicht mehr halten können - die Fluten schwappten über.

"Wir waren zwar darauf vorbereitet, aber es ist schlimm", sagt Lay. 100 Häuser der Zeller Altstadt, die in erster und zweiter Reihe an den Fluss grenzen, stehen im Wasser. Darunter viele Läden, Restaurants und Weinstuben. In Koblenz erwartete man die größten Fluten noch für den Wochenbeginn. Insgesamt sind um die 30 Gemeinden betroffen, sagt ein Sprecher des Hochwassermeldezentrums Mosel in Trier. Zig Straßen sind überflutet, Weinberge überschwemmt, Campingplätze komplett unter Wasser.

In Pforzheim ertrank ein leichtsinniger Kajakfahrer in der Enz

In Baden-Württemberg haben die Fluten ein Todesopfer gefordert. Ein 50 Jahre alter Kajakfahrer wurde leblos aus der Enz bei Pforzheim gezogen. Der Mann hatte das Hochwasser offenbar unterschätzt. Die Polizei geht davon aus, dass er aus seinem Boot fiel und wegen der starken Strömung nicht mehr zurückklettern konnte.

Das Hochwasser wurde durch den Regen und das Tauwetter der vergangenen Tage ausgelöst. Es sei teilweise allerdings geringer als vorhergesagt ausgefallen, erklärte das rheinland-pfälzische Umweltministerium. Nach einem zwischenzeitlichen Rückgang des Pegelstands an der Mosel rechneten die Behörden ab Sonntagabend wieder mit steigenden Wasserständen.

"Schreiben Sie bloß nicht, dass die Leute das Hochwasser mit Gelassenheit nehmen", mahnt indessen Erika Zickhart. Ihr Mann ergänzt: "Wenn nur zehn Zentimeter in den Hausflur laufen, ist das eine unglaubliche Sauerei." Im Keller habe er bereits die meisten Habseligkeiten auf Böcke gestellt. Bevor sie weiterarbeiten, sagt Frau Zickhart: "Man muss es ertragen, aber das ändert ja nichts an dem Elend."

Am Rhein stiegen die Wasserstände laut Mainzer Umweltministerium stetig an. In Koblenz, wo die Mosel in den Rhein fließt, wird die Spitze des Hochwassers für heute erwartet. Es müsse dabei mit Überflutungen rheinnaher Bereiche gerechnet werden. In Köln waren gestern Teile der Uferpromenade am Rhein überflutet. In Essen trat die Ruhr über die Ufer, einige Straßen mussten laut Polizei gesperrt werden.

Auch in anderen Bundesländern wurde die Entwicklung des Hochwassers genau beobachtet. So stiegen in Hessen nach Behördenangaben die Wasserstände an Rhein und Main weiter an und überschritten gestern die zweithöchste Meldestufe drei. An den Oberläufen der Flüsse entspannte sich die Lage den Angaben zufolge aber schon wieder. Auch in Thüringen stiegen die Pegelstände der Flüsse teils an.

In Brandenburg blieb die Situation an der Oder weiter angespannt. Die Pegel stiegen leicht und werden dies voraussichtlich auch in den kommenden Tagen noch tun. Zugleich gelang es den Behörden, mit Eisbrechern einzelne Stauungen aufzubrechen.

Unterdessen wurden am Wochenende insbesondere an der Oder zahlreiche "Hochwassertouristen" beobachtet. Dies behindere die Arbeit der Einsatzkräfte, sagte ein Sprecher des Potsdamer Innenministeriums. Er forderte dazu auf, dem Fluss fernzubleiben. Neben der Behinderung der Einsatzkräfte bestehe auf den aufgeweichten Deichen höchste Gefahr.

In Bayern sind vor allem das Maingebiet sowie einige nördliche Donauzuflüsse von den Fluten betroffen. Auch im oberfränkischen Pettstadt an der Regnitz sowie im unterfränkischen Bad Kissingen an der Fränkischen Saale herrschte die höchste Hochwasser-Meldestufe vier. An den Oberläufen von Wörnitz und Altmühl, beides Donauzuflüsse, kam es zu Überflutungen.