L'Oréal-Erbin Liliane Bettencourt und ihre Tochter verklagen sich gegenseitig vor Gericht. Frankreich amüsiert sich über diese Seifenoper.
Paris. Der 88. Geburtstag der reichsten Frau Frankreichs war an diesem Donnerstag kein Anlass für eine fröhliche Familienfeier. Immerhin: Wenn ihre Tochter bei ihr klingelte, würde Liliane Bettencourt ihr die Tür öffnen. „Aber dann? Ich weiß es nicht. Ich wünsche mir das nicht. Sie ist verbohrt, und dann bin ich auch verbohrt“, sagte sie kürzlich. Der Streit zwischen Mutter und Tochter, der der Ausgangspunkt einer noch andauernden Staatsaffäre ist, hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Die Tochter Françoise (57) versucht zum dritten Mal, ihre Mutter entmündigen zu lassen. Und die Mutter hat ihre Tochter nun auch noch wegen Psychoterrors verklagt .
Manche Juristen schimpfen schon über den Missbrauch des Justizsystems für eine Familienfehde. „Als ob wir nichts anderes zu tun hätten“, empörte sich eine Richterin. Aber es ist eben nicht irgendeine Familie, in der Mutter und Tochter wegen einer Erbschaft und damit verbundener Eifersüchteleien aneinandergeraten. Liliane Bettencourt ist die größte Anteilseignerin des Kosmetikkonzerns L'Oréal, ihr Vermögen wird auf 17 Milliarden Euro geschätzt. Sie zahlt die meisten Steuern in Frankreich, und der Konzern gehört zu den Grundpfeilern der französischen Wirtschaft.
Um zu beweisen, dass die alte Dame noch helle im Kopf ist, haben ihre Anwälte ihr offensichtlich eine verstärkte Präsenz in der Klatschpresse verschrieben. Erst ein langes Interview mit der Zeitschrift „Paris Match“, in dem sich Bettencourt rühmt, jeden Morgen eine Stunde zu schwimmen. Dann drei Seiten Fotoreportage aus New York in „Gala“, wo Madame in blitzweißen Turnschuhen durch den Central Park bummelt und das MoMA (Museum of Modern Art) besucht, ganz privat, nach Ende der Öffnungszeiten fürs gemeine Volk, versteht sich.
“Ich verstehe nicht, dass meine Tochter mich nicht in Ruhe lässt. Anstatt mich besuchen zu kommen, geht sie gerichtlich gegen mich vor“, betont sie. „Zeit, dass ich mich wehre.“ Françoise wirft ihrer Mutter unter anderem vor, dass sie sich von dem homosexuellen Dandy und Promi-Fotografen François-Marie Banier jahrelang finanziell hat ausnutzen lassen. Insgesamt soll sie ihm Geschenke in Form von Immobilien, Lebensversicherungen und Gemälden im Wert von einer Milliarde Euro gemacht haben.
Vielleicht hat sich die alte Dame die Kritik ihrer Tochter doch ein wenig zu Herzen genommen. Immerhin hat sie Banier - den sie zwischenzeitlich angeblich sogar adoptieren wollte - kürzlich enterbt und ihm öffentlich die Freundschaft gekündigt .
Viele Franzosen sehen die Bettencourt-Affäre mittlerweile wie eine Seifenoper im Milieu der Superreichen. Das dürfte Präsident Nicolas Sarkozy sehr recht sein , denn darüber ist der politische Aspekt der Affäre in den vergangenen Wochen etwas in Vergessenheit geraten. Dabei stehen weiterhin massive Vorwürfe im Raum. Unter anderem soll Bettencourt Sarkozys Präsidentschaftswahlkampf mit einer illegalen Bargeldspende unterstützt haben. Die zahlreichen Gerichtsverfahren sind inzwischen allerdings nur noch für Experten durchschaubar.
Unterdessen ist ein knapp 400 Seiten dickes Buch erschienen, in dem sich noch einmal die Abschriften der heimlich aufgenommenen Gespräche im Hause Bettencourt nachlesen lassen, die die Affäre ins Rollen brachten. So etwa der Dialog zwischen Bettencourt und ihrem Notar über ihr Testament: „Wie viel habe ich Banier (in meinem Testament) noch mal hinterlassen?“, erkundigte sie sich im vergangenen April. „Er ist Universalerbe.“ - „Das heißt?“ - „Alles.“ - „Oh, nein.“ - „Doch, das haben sie mir so gesagt.“ So kann es bei Milliardären zugehen.