Die meisten Schiffe und Plattformen über dem lecken Bohrloch am Golf von Mexiko wurden aus Sorge vor einem Tropensturm abgezogen.
Hamburg. In der Ölpest-Region im Golf von Mexiko, auf den Bahamas und in Florida wächst die Sorge vor dem Tropensturm „Bonnie“. Der Einsatzleiter im Kampf gegen die Umweltkatastrophe, Admiral Thad Allen, ordnete in der Nacht zum Freitag den Abzug der meisten Schiffe und Plattformen über dem ramponierten Bohrloch an. Die Kappe , die das Ölleck am Meeresboden nun schon seit einer Woche erfolgreich abdichtet, soll laut Allen bis auf weiteres verschlossen bleiben - auch wenn eine Beobachtung wegen des Unwetters dann nicht mehr möglich ist.
Ein Tiefdruckgebiet über der Karibik war am Donnerstag vom Nationalen Hurrikan-Zentrum in Miami offiziell zum Tropensturm „Bonnie“ heraufgestuft worden. Für die Bahamas und Teile Floridas gibt es Sturmwarnungen. Das System zieht nach Nordwesten. Die Ankunft des Sturms in der Gegend des ramponierten Bohrlochs erwartet der Admiral unterdessen am frühen Samstagmorgen.
Allen hatte zuvor erklärt, dass der Sturm den Kampf gegen die Ölpest bis zu 14 Tage zurückwerfen könne. Auch wenn er sich nicht zu einem Hurrikan auswachse, könne er „erhebliche Folgen“ haben. Von der Stelle des Bohrlochs abgezogen werde neben den Schiffen zum Aufsammeln des Öls auch die Plattform, von der aus der BP-Konzern die wichtige Entlastungsbohrung vornimmt, erklärte der Einsatzleiter. Mit ihr soll die Quelle im August endgültig versiegelt werden. Als letzte sollten die Unterwasser-Roboter zur Überwachung der seit Donnerstag provisorisch gestopften Ölquelle abgezogen werden. Sobald der Sturm vorüber sei, solle sofort wieder mit dem Abschöpfen des Öls von der Meeresoberfläche begonnen werden.
Erst Ende Juni hatte der Sturm „Alex“ die Öl-Helfer gezwungen, ihre Arbeit zu unterbrechen. Das Unwetter zog dann aber über die mexikanische Halbinsel Yucatán und weiter nach Westen, wo er die Bundesstaaten Tamaulipas und Nuevo León unter Wasser setzte.
Die Behörden gaben unterdessen ein Drittel des bislang für die Fischerei gesperrten Gebietes im Golf von Mexiko wieder frei. Untersuchungen und Überflüge hätten über die vergangenen 30 Tage keine Hinweise auf Öl ergeben, teilte die Einsatzleitung mit.
Unterdesen berichtet die BBC, dass der britische BP-Konzern angesichts erwarteter Klagen wegen der Ölpest im Golf von Mexiko versucht haben soll, das Schweigen von Experten zu erkaufen. Hier habe ein Großunternehmen umfassend versucht, sich Stillschweigen zu sichern, sagte Cary Nelson vom Amerikanischen Verband der Professoren im britischen Rundfunksender BBC. Von BP angebotene Verträge verlangen laut BBC von Wissenschaftlern, dass sie ihre Forschungen im Auftrag des Konzerns nicht veröffentlichen. Sie dürften zudem über die enthaltenen Daten mindestens drei Jahre lang nicht sprechen - oder jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt nicht, an dem die US-Regierung die Schadenersatzzahlungen wegen der Katastrophe abschließend festlege.
Der BP-Konzern gab in einer Erklärung an die BBC an, mehr als ein dutzend Wissenschaftler mit Fachkenntnissen zum Golf von Mexiko angeheuert zu haben. Das Unternehmen erlege Forschern aber „keine Beschränkungen dabei auf, über wissenschaftliche Daten zu reden“. Bop Shipp, der Leiter der Meeresforschung an der Universität von South Alabama, sagte dem Sender jedoch, Anwälte von BP hätten ihn angesprochen und seine ganze Abteilung gewollt. Als er die Grundregeln festgelegt habe, dass alle Daten der Wissenschaftsgemeinschaft frei zugänglich sein und unabhängig überprüft werden müssten, seien die BP-Vertreter schnell wieder abgezogen. „Wir haben nie mehr von ihnen gehört.“
Röttgen will neue Ölbohrungen in der Nordsee aussetzen
Umweltminister Norbert Röttgen will angesichts der schweren Umweltkatastrophe neue Ölbohrungen in der Nordsee vorerst unterlassen. Von Deutschland sollte eine entsprechende Initiative ausgehen, sagte der CDU-Politiker am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“. Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko sei Anlass genug zu überprüfen, welche Risiken bei Ölbohrungen gemieden werden sollten. „Wenn man mal eine Pause macht, ein Moratorium für neue Bohrungen, dann wäre das vielleicht ein praktischer Schritt, den durchzusetzen schon schwer genug fallen wird“, erklärte Röttgen. Er glaube nicht, dass die anderen Nordsee-Anrainer einen solchen Schritt mitgehen würden. Der Minister betonte zugleich, dass die für Bohrungen in der Nordsee geltenden Umwelt- und Sicherheitsstandards nicht mit denen in den USA vergleichbar seien. „Ohne die Sicherheit von Bohrungen darf es keine Bohrungen geben“, bekräftigte Röttgen.