Brunner habe als erster zugeschlagen, sagen die mutmaßlichen Täter. Der Vater des Opfers hörte die Aussagen im Gerichtssaal an.
München. Reuig sitzen die beiden jungen Männer auf der Anklagebank. Sebastian L. und Markus S. müssen sich seit Dienstag wegen Mordes an dem Manager Dominik Brunner vor dem Landgericht München I verantworten . „Ich weiß, dass das, was ich getan habe, nicht zu entschuldigen ist“, sagt der 19 Jahre alte Markus S. „Mir tut der Tod des Herrn Brunner so unendlich leid, ich kann es nicht beschreiben.“
Die Tat erklärt Markus S., der als Haupttäter gilt, mit einem Aussetzer. „Ich muss wohl einen Blackout gehabt haben“, lässt er über seine Anwälte mitteilen. Auch der 18-jährige Sebastian L. sagt: „Es tut mir von Herzen leid. Ich wollte nie, dass so was passiert.“ Es sei Brunner gewesen, der als erster zugeschlagen habe – sie hätten eigentlich vorbeigehen wollen, beteuern beide.
Gegenüber auf der Bank der Nebenklage hört Brunners Vater Oskar gefasst zu. Keine Regung offenbart, was er von den Worten der mutmaßlichen Mörder seines Sohnes hält.
Regungslos haben die beiden Angeklagten vor Prozessbeginn minutenlang das Blitzlichtgewitter der Fotografen über sich ergehen lassen. Laut Anklage haben sie Brunner am 12. September 2009 auf dem Münchner S-Bahnhof Solln mit Schlägen und Tritten getötet – aus Rache für seine Einmischung in einem Streit mit Schülern. Brunner hatte vier Jugendliche in Schutz genommen, von denen die beiden Angeklagten 15 Euro haben wollten. Aus Ärger über das aus ihrer Sicht anmaßende Eingreifen des 50- Jährigen hätten die Angeklagten Brunner binnen einer Minute unter wüsten Beschimpfungen zusammengeschlagen, sagt Staatsanwältin Verena Käbisch. Mit einem Schlüsselbund als Waffe habe Markus S. Brunner schwer verletzt und selbst dann noch mit dem Fuß gegen den Kopf des Managers getreten, als dieser schon schwer verletzt am Boden lag .
Die Tat löste in ganz Deutschland Entsetzen aus. „Unfassbar tragisch bist Du von uns gegangen, weil Du andere beschützt hast“, schrieben Brunners Eltern in ihrer Todesanzeige. Ruhig sitzt Oskar Brunner nun im Gerichtssaal. In einer Erklärung lässt seine Anwältin wissen, er vertraue darauf, dass „das Gericht für beide Angeklagten eine tat-, schuld- und erzieherisch angemessene Rechtsfolge finden“ werde. Reden will er nicht. „Den Eheleuten Brunner geht es psychisch und physisch seit dem Tod ihres Sohnes Dominik Brunner sehr schlecht“, heißt es in der Erklärung. Felicitas Brunner sei inzwischen ein Pflegefall.
Sebastian L. und Markus S. waren immer wieder polizeilich aufgefallen, allein für die beiden Monate vor der Auseinandersetzung mit Brunner listet Käbisch Taten von Diebstahl über Drogenbesitz bis Vandalismus auf. „5 Dinge, die ich in meinem Leben noch machen möchte: Ein Bullenrevier in die Luft sprengen (natürlich voll besetzt)“, habe Markus S. etwa auf einer Internet-Plattform geschrieben und dazu mit einer Pistole posiert. An jenem Nachmittag im September hatten Sebastian L. und Markus S. sowie ein dritter Jugendlicher Alkohol konsumiert, fünf halbe Bier und eine halbe Flasche Wodka will alleine Markus getrunken haben. Der dritte Jugendliche habe am S-Bahnhof Donnersberger Brücke Streit mit den Schülern angefangen. Er verlangt den Ermittlungen zufolge Geld, schubst und pöbelt, fährt dann aber zu seiner Oma. Die beiden Angeklagten dagegen steigen wie die 13- bis 15-jährigen Schüler in die S-Bahn nach Solln.
Zufällig sitzt auch Brunner in dieser S-Bahn. Er fordert die Jugendlichen auf, die Schüler in Ruhe zu lassen, wählt den Notruf der Polizei, nennt Solln als Zielbahnhof. Dort geht alles ganz schnell: Nach Darstellung der Anklage gehen die Angeklagten auf Brunner zu, dieser hebt die Faust, wehrt mit einem ersten Schlag den Angriff ab - doch die beiden sind nicht zu stoppen.
Die Angeklagten stellen die Sache anders dar: Sie seien versehentlich bis nach Solln gefahren, weil sie das Aussteigen verpasst hätten, erklären beide. Die Plänkeleien mit den Schülern seien nur „Gelabere und Show gewesen“, ließ Markus S. von seinen Anwälten erklären. Brunner habe plötzlich mit erhobenem Arm vor ihm gestanden. „Der ältere Mann tänzelte mit erhobenen Fäusten vor uns.“ Er selbst, so Markus S., habe einen Fausthieb ins Gesicht bekommen. „Der Schlag war echt heftig und tat voll weh. Ich weiß nur noch, wie ich richtig wütend wurde.“ Er sei dann wohl auf den Mann zugegangen und habe auf ihn eingeschlagen, möglicherweise ihn auch getreten.
Ähnlich erklärt auch Sebastian L. den Vorfall. „Wir wollten eigentlich vorbeigehen, aber wir haben halt blöd dahergeredet.“ Brunner habe Boxhaltung eingenommen und Markus einen Faustschlag verpasst. Markus sei wütend geworden und habe zurückgeschlagen. „Mir kam es so vor, als wäre der Markus unterlegen gewesen.“ Da sei er seinem Freund zu Hilfe gekommen, habe ebenfalls zugeschlagen. Als Brunner am Boden lag und Markus immer noch auf ihn eintrat, habe er ihn weggezogen. „Das kam mir alles zu krass vor.“
Der Vorsitzende Richter Reinhold Baier hört sich die Schilderung an, fragt bei Sebastian L., der anders als Markus S. detailliert aussagt, lange nach. „Das kann ich absolut nachvollziehen, dass Ihnen nicht wohl in ihrer Haut ist, dennoch bitte ich Sie, dass Sie uns die Wahrheit sagen, wenn Sie aussagen“, ermahnt der Richter den jungen Mann, der stockend spricht.
Acht weitere Verhandlungstage hat Baier bis zum 29. Juli angesetzt. In den nächsten Tagen wird vielleicht nochmals eine etwas andere Darstellung zu hören sein: An diesem Mittwoch und Donnerstag werden die vier Schüler als Zeugen aussagen.