Am Mittwochnachmittag verkündete rtl.de: Daniele Negroni ist neuer Superstar. “Nur ein technischer Fehler“, beeilte sich der Sender zu erklären. Am Sonnabend steigt das Finale.
Köln. Es dauerte nur wenige Minuten, da hatte eine Meldung in den sozialen Netzwerken wie Facebook bereits hohe Wellen geschlagen. Aufgeregte Fans und spöttische User veröffentlichten Screenshots der Internetseite des privaten TV-Senders RTL. Der nämlich hatte auf seiner Homepage am Nachmittag Daniele Negroni zum Sieger der laufenden neunten Staffel der Castingshow "Deutschland sucht den Superstar" erklärt. Kurze Zeit später war die Meldung nicht mehr aufrufbar.
Ein PR-Gag? Oder steht der neue Superstar tatsächlich schon fest, bevor die Fernsehzuschauer am Sonnabend zur Primetime per kostspieligem Telefon-Voting abstimmen können? Der Sender beeilte sich, die Vorwürfe zu entkräften. Auf Nachfrage hieß es aus der RTL-Pressestelle: "Um pünktlich zur Entscheidung am Sonnabend die Tour des Siegers in Vorverkauf geben zu können, hat Print your ticket, der technische Dienstleister von RTL Tickets, jeweils eine Ticketverkaufsseite für beide potentiellen Sieger vorbereitet."
Eine der beiden Seiten sei durch einen technischen Fehler veröffentlicht worden. Der Sieger werde am Sonnabend von den Zuschauern gewählt, versicherte die Pressebeauftragte Anke Eickmeyer. Ein fader Beigeschmack bleibt trotzdem. Denn: Schon lange halten sich Gerüchte, nach denen das Zuschauer-Voting irrelevant für den Ausgang der Sendung sei. Die Auflösung erfolgt am späten Sonnabend. Dann kann rtl.de auch offiziell den neuen "DSDS"-Sieger küren - und wird damit garantiert erneut kontroverse Diskussionen auslösen.
Es wird ein Gesangsduell unter Teenies und ein Wettstreit zwischen Nachbarländern, wenn sich am Sonnabend der 16-jährige Daniele Negroni aus Regensburg und der 17-jährige Luca Hänni aus Uetendorf in der Schweiz gegenüberstehen.
Fast wäre es ein Finale ohne deutschen Teilnehmer geworden. Denn im Halbfinale lieferten sich zwei Schweizer und ein Deutscher ein Kopf-an-Kopf-Rennen: Beim Zuschauer-Voting lagen alle drei zeitweise nur wenige Prozentpunkte auseinander. Letztlich flog aber der Schweizer Hoffnungsträger Jesse Ritch.
Maurerlehrling Luca Hänni galt in der aktuellen, neunten „DSDS“-Staffel schon früh als Favorit. „Das gibt es ganz selten, dass ein Mensch auf die Bühne kommt und wirklich alles hat“, sagte Juror Dieter Bohlen über den Mädchenschwarm, der mit seinem Image als „Bravo“-Boy und Justin-Bieber-Fan kokettiert und so gut wie keine Ecken und Kanten zu haben scheint. Doch Konkurrent Daniele Negroni hat in der Zuschauergunst aufgeholt.
Negroni, den anfangs keines der drei Jurymitglieder große Chancen eingeräumt hatte, steigerte seine Leistung von Show zu Show. War es zunächst so, dass Bohlen den Teenie mit der schweren Kindheit und Reibeisenstimme etwa skeptisch weiter ließ unter der Bedingung, dass er keinen Ärger macht, wird er jetzt von Bohlen gefeiert: „Entscheidend für dieses Geschäft heute ist: Man muss ein Typ sein. Und Du bist ein Typ und passt genau in dieses Geschäft rein“, sagte Bohlen.
Ärger hat Negroni, der mit 13 rauchte, stahl und trank und für „DSDS“ seine Kochlehre abbrach, dann doch gemacht – mit Anfeindungen gegenüber dem schwulen Top-Ten-Konkurrenten Kristof Hering, für die er sich später offiziell und umfänglich entschuldigte. Der 16-Jährige, der von Bohlen auch als „Terrorbolzen“ bezeichnet wird, schont seine Stimme zu wenig, raucht wie ein Schlot und feiert lieber als sich auszuruhen, kritisiert die Jury.
Für Ärger sorgten nicht nur Äußerungen von Kandidaten. Die Pannen-Serie bei „DSDS“ riss auch in dieser Staffel nicht ab. Neueste Peinlichkeit: Eine RTL-Internetseite, die Negroni bereits als „DSDS-Sieger“ ausweist und Tickets für seine Tournee anbietet, war am Mittwoch freigeschaltet worden. „Diese Seite wurde nur für den Fall von Danieles Sieg vorbereitet, ging versehentlich online“, relativierte Sendersprecherin Anke Eickmeyer gegenüber dem Internetportal „bild.de“.
Kurz zuvor hatte es erneut Kritik am RTL-Telefon-Voting gegeben - diesmal aus der Schweiz: Fans warfen dem Sender vor, dass bei der Abstimmung im Halbfinale geschummelt worden sei, weil mit den Anrufen für ihre Schweizer Lieblinge nicht durchkommen konnten. Laut RTL ist das Voting aber technisch einwandfrei abgelaufen. Besetzte Leitungen bei hohem Anruferzahlen seien normal.
Waren die Vorrunden noch ohne viel Aufsehen verlaufen, gab es während der Mottoshows wiederholt große Aufreger: Dieter Bohlen verließ bei einem seiner Meinung nach unterirdisch schlechten Auftritt von Joey Heindle die Bühne. Der homosexuelle Kristof erhielt Morddrohungen via Internet und die als besonders talentiert geltende Vanessa Krasniqi forderte nach ihrem Aus vergeblich eine Frauenquote, weil ihrer Meinung für die Zuschauer „nur noch die Geschichte zählt und nicht mehr, ob jemand auch singen kann“. Schließlich habe mit Elli Erl im Jahr 2004 bei DSDS nur einmal eine Frau gewonnen. Auch mit den Jugendschützern gab es Ärger, weil minderjährige Kandidaten bei den ersten Mottoshows nach 23 Uhr noch auf der Bühne standen.
Trotz zahlreicher Schlagzeilen hat das Zuschauerinteresse an „DSDS“ 2012 im Vergleich zur Vorjahresstaffel merklich nachgelassen. Beim Halbfinale 2012 schalteten im Schnitt 4,65 Millionen Menschen (15,5 Prozent Marktanteil) ein, der Staffeldurchschnitt liegt laut RTL bei rund 5 Millionen. 2011 waren es noch durchschnittlich 6,38 Millionen und 20,5 Prozent. RTL-Sprecherin Eickmeyer sagt: „Dass 'DSDS' nicht nach zehn Jahren noch einen Rekord nach dem anderen brechen kann, war uns immer klar, um so mehr angesichts der aktuellen Castingflut im TV“, sagte sie.
Der Wunsch, berühmt zu werden, scheint ungebrochen: Bei der aktuellen „DSDS“-Staffel bewarben mit 35.401 Kandidaten so viele wie nie. Eine zehnte Staffel ist 2013 laut RTL fest eingeplant. Ob vom Gewinner der diesjährigen Show dann noch etwas zu hören sein wird, ist fraglich. Doch darum geht es auch nicht – der Traum vom Superstar-Dasein existiert unabhängig von Fragen nach der Dauer.
Zitate von Dieter Bohlen aus der aktuellen DSDS-Staffel
„Für mich bist du im Finale – so im finalen Endstadium.“
„Man merkt, dass du Musik liebst. Aber das ist eine einseitige Liebe.“
„Das war eigentlich fast perfekt, wenn der Gesang nicht wäre.“ (zu Kandidat Christian Schöne)
„Wenn ich jetzt ein 18-jähriger Junge gewesen wäre, hätte ich mich jetzt verliebt.“ (zu Kandidatin Fabienne Rothe)
„Ich finde schon, dass du besonders bist irgendwie. Also, gesanglich besonders schlecht.“
„Ganz viele können nicht singen, deshalb finde ich auch, ihr solltet nicht traurig sein. Ich hab ganz viele Eichhörnchen im Garten – keins von denen kann singen.“
„Du bist ein Lichtblick für die Augen, aber für die Ohren das Grauen.“
„Wir beide sind die Dinosaurier von DSDS.“ (zum jährlichen Dauergast Menderes Bagci)
„Du gehörst zu der Abteilung musikalischer Bildschirmschoner. Da passiert nix.“
„Bist du eine Qualle im Baldriantee, die um ihr Leben quaddelt?“
„Der Poptitan ist oben in der Stratosphäre.“ (Bohlens Antwort auf die Frage, wo er selbst musikalisch steht)
Mit Material von dapd