„Die Kriterien für einen geglückten Angriff waren, dass mindestens die ersten Säulen der Gebäude zusammenbrechen und dass 12 Menschen sterben“, sagte Breivik am Donnerstag vor Gericht in Oslo.
Oslo. Von seiner massiven Bombenexplosion im Osloer Regierungsviertel hat sich der norwegische Massenmörder Anders Behring Breivik mehr Opfer erwartet. „Die Kriterien für einen geglückten Angriff waren, dass mindestens die ersten Säulen der Gebäude zusammenbrechen und dass 12 Menschen sterben“, sagte Breivik am Donnerstag vor Gericht in Oslo. „Das primäre Ziel war, die gesamte Regierung zu töten, inklusive den Staatschef.“ Als er nach dem Anschlag im Radio zunächst gehört habe, dass bei der Explosion der 950-Kilogramm-Bombe wahrscheinlich ein Mensch getötet wurde, sei er sofort weiter nach Utøya gefahren. „Da wurde mir klar, dass ich die gesamte Operation durchziehen muss.“
Große Überlebenschancen hatte sich Anders Behring Breivik bei seinen Attentaten im vergangenen Jahr in Oslo und auf der Insel Utöya nach eigenen Angaben nicht ausgerechnet. Mit Computerspielen habe er sich lange auf eine Konfrontation mit bewaffneten Polizisten vorbereitet, sagte der 33-Jährige am Donnerstag vor Gericht. Neben der Explosion im Regierungsviertel der norwegischen Hauptstadt habe er ursprünglich zudem weitere Bombenanschläge in Erwägung gezogen, sagte der geständige Attentäter am vierten Prozesstag. Den Plan verwarf er demnach aber wegen seiner Komplexität.
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Als weitere Anschlagsziele in Oslo habe er zunächst auch die Zentrale der regierenden Arbeiterpartei und möglicherweise das Königsschloss ausgemacht, sagte Breivik. Im Anschluss an die drei Explosionen wollte er seinen eigenen Angaben zufolge dann mehrere Massaker mit Schusswaffen ausführen. Den Plan habe er aber verworfen, als er gemerkt habe, das schon das Herstellen von nur einer Bombe „viel komplizierter war, als ich es gedacht hatte“.
In dem am 22. Juli 2011 schließlich umgesetzten Plan habe er kaum damit gerechnet, Oslo lebend verlassen zu können, sagte Breivik weiter. Er habe erwartet, dass er auf dem Weg aus der Stadt heraus zum Jugendlager auf Utöya auf bewaffnete Polizisten stoßen werde. „Ich schätzte meine Überlebenschance auf weniger als fünf Prozent“, sagte er zu Beginn des Verhandlungstages.
Um sich auf ein solches Szenario vorzubereiten, habe er sich eine einjährige Auszeit genommen, um 16 Stunden täglich das Online-Spiel „World of Warcraft“ zu spielen. Ab 2010 habe er dann gezielt viele Stunden in der Woche mit dem Spiel „Modern Warfare“ verbracht, um ein besseres Gefühl für den Umgang mit Schusswaffen zu bekommen. Der damit verbundene Abbruch sozialer Kontakte habe es ihm erleichtert, sich auf die bereits 2006 als Selbstmord-Operation geplanten Anschläge vorzubereiten.
Breivik wurde noch am Abend der Anschläge von Oslo und Utöya von der Polizei festgenommen und hat die Anschläge bereits gestanden. Die entscheidende Frage in dem auf zehn Wochen terminierten Verfahren wird die Schuldfähigkeit des Angeklagten sein. Zwei Gutachten kamen hier zu gegensätzlichen Ergebnissen.
Am Donnerstag wurde bekannt, dass Norwegen offenbar eine deutsche Sympathisantin Breiviks ausgewiesen hat. Wie der norwegische Fernsehsender TV2 auf seiner Website berichtete, versuchte die Frau zum Prozessauftakt am Montag in das Gerichtsgebäude in Oslo zu gelangen. Sie sei am Vortag aus Stuttgart angereist und habe für 14 Tage ein Hotel gebucht, um den Prozess zu verfolgen, hieß es. Die Frau soll Briefe an Breivik geschrieben und behauptet haben, dessen Freundin zu sein. Der deutschen Polizei soll sie bekannt sein.
Breivik nutzt biegsamen Spezial-Stift im Gerichtssaal
Ein biegsamer Spezial-Kugelschreiber soll indes dafür sorgen, dass Breivik vor Gericht weder sich selbst noch andere verletzt. Während des Verhörs nutzt der 33-Jährige den Gefängnisstift um sich Notizen zu machen. Oft spielt er nervös damit. „Der Stift ist biegsam, so dass er nicht als Waffe genutzt werden kann“, heißt es auf der Internetseite des norwegischen Herstellers, auf die die Zeitung „Dagbladet“ verweist. Ein Kugelschreiber kostet umgerechnet 16,50 Euro.
Vor sich hat Breivik im Gericht auch eine Wasserkaraffe aus Plastik. Der 33 Jahre alte Massenmörder darf ohne Handschellen im Gerichtssaal sitzen, die Sicherheitsvorkehrungen sind enorm. Jeden Tag nehme der Gefangenentransport einen anderen Weg zum Gericht, schreibt die Zeitung „VG“ auf ihrer Internetseite. Im Keller müsse Breivik in einer Wartezelle bis zum Prozessbeginn ausharren. Bis er im Gerichtssaal ist, trägt Breivik Handschellen, die an einem breiten Ledergürtel um seine Taille befestigt sind.
Breivik gab Waffen Namen aus der Mythologie
Seinen Waffen gab Breivik Namen aus der nordischen Mythologie gegeben. Vor Gericht sagte der 33-Jährige am Donnerstag aus: „Das (halb-automatische) Gewehr hieß Gungnir, wie der magische Speer des Gottes Odin, der nach jedem Wurf zurückkehrt, während ich die Glock (halb-automatische Pistole) Mjölnir nannte, nach dem Hammer von Thor, dem Gott des Krieges.“ Die Polizei hatte Breivik nach dem Massaker auf der Insel Utøya mit den Waffen festgenommen. 69 Menschen kamen auf der Insel ums Leben, zuvor hatte Breivik eine Bombe im Osloer Regierungsviertel gezündet.
Er habe damit gerechnet, den Bombenanschlag in Oslo nicht zu überleben, sagte der geständige Massenmörder am vierten Prozesstag. „Ich habe die Wahrscheinlichkeit, (den Angriff auf) das Regierungsviertel zu überleben, auf unter fünf Prozent geschätzt.“ Er habe die Situation daher simuliert und geübt, wieder herauszukommen, unter anderem mit dem Computerspiel „Modern Warfare“ („Moderne Kriegsführung“). Am Donnerstag wurde der 33-Jährige zu seinen Vorbereitungen für die Attentate mit insgesamt 77 Toten im vergangenen Sommer befragt.
Mit Material von dapd und dpa