Weltweit sinkt zwar die Zahl der Staaten, die die Todesstrafe vollstrecken. Zugleich nahm 2011 die Zahl der Hinrichtungen aber zu.
Frankfurt/Main. China führt die tödliche Bilanz laut Amnesty International (AI) erneut an: In keinem anderen Land seien 2011 mehr Menschen hingerichtet worden, hieß es in der am Dienstag veröffentlichten Statistik der Menschenrechtsorganisation zu den Hinrichtungen und Todesurteilen 2011. Demzufolge wurden im vergangenen Jahr mindestens 676 Menschen in 20 Ländern hingerichtet nach mindestens 527 in 23 Ländern im Vorjahr. Das seien zwar mehr als ein Drittel weniger als noch vor zehn Jahren. Doch die tatsächliche Zahl dürfte erheblich höher liegen: Da Daten zur Todesstrafe in China als Staatsgeheimnis gälten, sei die exakte Zahl für das Land unbekannt.
AI geht jedoch davon aus, dass die Zahl der Todesurteile und Hinrichtungen in der Volksrepublik unverändert in die Tausende geht. Zudem sei zu befürchten, dass Menschen zum Tode verurteilt oder hingerichtet worden seien, ohne ein nach internationalen Rechtsstandards faires Verfahren erhalten zu haben. Das gelte für China, aber auch für andere Länder wie Weißrussland, den Irak und Iran, Nordkorea und Saudi-Arabien. In manchen Ländern seien "Geständnisse" durch Folter oder anderer Anwendung von Zwang erlangt worden. In Weißrussland und Vietnam sind laut AI die Gefangenen nicht davon in Kenntnis gesetzt worden, dass ihre Hinrichtung bevorstand, ihre Angehörigen und Rechtsanwälte seien ebenfalls nicht informiert worden.
Weißrussland ist das einzige Land in Europa, in dem 2011 Hinrichtungen stattfanden. Zuletzt wurden die umstrittenen Todesurteile gegen die beiden mutmaßlichen U-Bahn-Attentäter von Minsk vollstreckt, obwohl es Zweifel an der Schuld der jungen Männer gab. Menschenrechtsaktivisten warfen der autoritären Regierung vor, die Wahrheit über die Anschläge durch die rasche Hinrichtung vertuschen zu wollen. Die EU kritisierte das Gerichtsverfahren gegen die mutmaßlichen Attentäter als unfair. Scharfe Kritik kam auch von Bundeskanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU), der erklärte, die Todesstrafe sei unter keinen Umständen zu rechtfertigen.
Die beiden 26-Jährigen waren im November schuldig gesprochen worden, im April vergangenen Jahres eine Bombe in einer U-Bahn-Station in Minsk gelegt zu haben. 15 Menschen kamen bei dem Anschlag ums Leben, mehr als 300 wurden verletzt. Die mutmaßlichen Attentäter wurden Mitte März per Genickschuss hingerichtet.
Lettland wurde indes am 1. Januar 2012 zum 97. Staat der Erde, der die Todesstrafe vollständig abgeschafft hat. Weltweit haben laut AI 141 Staaten die Todesstrafe gesetzlich oder in der Praxis abgeschafft. Umwandlungen von Todesurteilen oder Begnadigungen seien 2011 in 33 Staaten registriert worden nach 19 im Vorjahr.
Trotz solcher positiver Signale in Richtung Abschaffung der Todesstrafe weltweit gibt es laut AI neben China aber noch weitere Wermutstropfen: Im Nahen Osten habe sich die Zahl der offiziell bestätigten Hinrichtungen um fast 50 Prozent erhöht. Im Irak, Iran und Saudi-Arabien seien 2011 insgesamt 149 mehr Menschen hingerichtet worden als im Jahr 2010. Im Irak seien mindestens drei Menschen aufgrund von Verbrechen hingerichtet worden, die sie im Alter von unter 18 Jahren begangen hätten. Öffentliche Hinrichtungen seien 2011 aus dem Iran, Nordkorea, Saudi-Arabien und Somalia bekannt geworden.
2011 war erneut eine kleine Gruppe von Staaten für einen Großteil der Hinrichtungen verantwortlich gewesen: China, der Irak und Iran, Jemen, Nordkorea, Saudi-Arabien, Somalia sowie die USA. Zwar sank 2011 die Zahl der Länder, in denen Menschen hingerichtet worden seien, im Vergleich zum Vorjahr von 23 auf 20 Länder. Die Zahl der Hinrichtungen ist aber im Jahresvergleich von mindestens 527 auf 676 gestiegen. Im Jahr 2009 wurde die geringste Zahl von Ländern verzeichnet, die die Todesstrafe verhängen, seit Beginn der Statistiken der 50 Jahre alten Menschenrechtsorganisation.
2011 wurden laut Amnesty International knapp 2.000 Todesurteile ausgesprochen. Ende 2011 hätten noch mindestens 18.750 Menschen in Gefängnissen gesessen und auf die Vollstreckung ihrer Todesurteile gewartet.