Giuseppe M. war im September vor einer Prügelattacke geflüchtet und in ein Auto gerannt. Er starb. Doch die Verhandlung beginnt nicht wie geplant.
Berlin. Zweiter Anlauf: Der Prozess um die tödliche Hetzjagd auf einen jungen Berliner soll am nächsten Montag beginnen. Der geplante Auftakt am Landgericht in der Hauptstadt platzte am Montag. Hintergrund war eine kurzfristige Entscheidung des Kammergerichts. Es ordnete an, dass der Hauptverdächtige, ein 21 Jahre alter mutmaßlicher U-Bahn-Schläger sowie ein 22-jähriger Komplize zusammen vor Gericht stehen sollen, wie Sprecher Tobias Kaehne sagte. Ursprünglich sollte es zwei separate Prozesse geben. Dem 21-Jährigen wird Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen.
Vor fünf Monaten war der 23-jährige Giuseppe M. in Angst und Panik vor einer Prügelattacke im U-Bahnhof Kaiserdamm auf die Straße gerannt. Dort wurde er im September 2011 von einem Auto erfasst und tödlich verletzt. Die Anklage geht davon aus, dass der 21-Jährige sein Opfer bei der Flucht aus dem U-Bahnhof verfolgte. Der Komplize soll nicht an der Hetzjagd beteiligt gewesen sein. Er muss sich wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten.
Der Tod des jungen Mannes, der gerade seine Berufsausbildung fertig hatte, hatte Bestürzung und große öffentliche Anteilnahme ausgelöst. An dem Unfallort auf dem Kaiserdamm legten Menschen noch Wochen später Blumen nieder, dem Trauerzug folgten Hunderte. Ein Begleiter von Giuseppe M. hatte sich retten können. Am Montag waren auch Familienangehörige und Freunde des Opfers ins Gericht gekommen.
Ein älterer Bruder von Giuseppe M. sagte, er verspüre keinen Zorn, aber der Tod seines Bruders sei nach wie vor ein großer Verlust. Die Familie trage ihn im Herzen. Er glaube nicht, dass den Angeklagten zu helfen sei, sagte der 28-Jährige. „Doch wir wollen uns nicht verkriechen, sondern ein Zeichen setzen für die Gesellschaft, dass sich etwas ändert.“ Die Menschen sollten mehr Zivilcourage zeigen. „Ab 12 Uhr (abends) ist die Stadt wie ein Dschungel.“
Die beiden mutmaßlichen Schläger hatten sich bei der Polizei gestellt. Der Hauptangeklagte, der in Untersuchungshaft sitzt, bestreitet laut Gericht, das Opfer in den Tod getrieben zu haben. Von dem Unfall habe er nichts mitbekommen. Die Prügelei im U-Bahnhof sei zudem nicht von ihm und seinem Bekannten ausgegangen, habe er zu Protokoll gegeben. Laut Gericht trug der Deutsche mit türkischen Wurzeln gelegentlich Zeitungen aus und wohnte bei seinen Eltern. Der Haftbefehl gegen den mutmaßlichen Komplizen war aufgehoben worden.
Dem tödlichen Drama ging laut Ermittlungen eine Auseinandersetzung in dem U-Bahnhof voraus. Die beiden Angeklagten sollen Giuseppe M. und dessen Freund attackiert haben, worauf diese sich ebenfalls mit Faustschlägen zur Wehr setzten. Dann seien die Angegriffenen weggerannt, verfolgt von dem 21-Jährigen. Der Überfall im Bahnhof wurde nicht von Videokameras erfasst.
Immer wieder kommt es in Berlin zu erschreckenden Gewaltattacken, bei denen Menschen zufällig zu Opfern werden. Im Dezember bekamen vier jugendliche Schläger mehrjährige Haftstrafen wegen versuchten Mordes. Sie hatten im U-Bahnhof Lichtenberg einen Handwerker „aus purer Lust an der Gewalt“ schwer misshandelt. Bundesweites Entsetzen löste auch die Gewaltorgie eines Gymnasiasten im U-Bahnhof Friedrichstraße aus. Der betrunkene Schüler, der einem Handwerker mehrmals mit voller Wucht gegen den Kopf getreten war, wurde zu zwei Jahren und zehn Monaten Jugendstrafe verurteilt. Er ist aber auf freiem Fuß, weil die Strafe noch nicht rechtskräftig ist.