“Die Hauptgefahr besteht wohl darin, dass der Nutzer angeregt oder angeleitet wird, aus seiner Vita Daten preiszugeben, die er zuvor nicht preisgegeben hätte“, sagt der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar. “Die Selbstinszenierung des eigenen Lebens führt dazu, dass wir uns dann bewusst zu gläsernen Menschen machen und unseren gesamten Lebenslauf vor uns hertragen.
Hamburg/Berlin. Bisher konnten sich die unwilligen Facebook-Nutzer noch von dem neuesten Tool des sozialen Netzwerkes herumdrücken: Die Timeline war nicht jedermanns Sache. Doch genau das droht sie zu werden. Per Zwangserlass. Seit dem Ende des vergangenen Jahres bietet Facebook den neuen Service nun schon an, der die Möglichkeit bietet, einen virtuellen Lebenslauf zu erstellen. Wer das Tool aktiviert bekommt sein persönliches Profil zur sogenannten "Chronik" umgewandelt. Bisher hatten die gut 20 Millionen deutschen Nutzer noch die Wahl zwischen der klassischen Darstellung des Profils und der neuen Chronik in Form einer Zeitleiste. In den kommenden Wochen werden alle Profile auf die neue Darstellungsweise umgestellt. Automatisch. Das teilte Tina Kulow, die deutsche Sprecherin des Internetportals, gestern in Hamburg mit. "Der Prozess des Rollouts wird einige Wochen dauern, und jede beziehungsweise jeder hat sieben Tage Zeit, um sich mit der Chronik hoffentlich anzufreunden", sagte Kulow. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg beschreibt die Chronik als die "ganze Geschichte eines Lebens auf einer Seite".
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Nun hagelt es Kritik seitens der Datenschützer. In der Chronik können Nutzer die Einträge ihrer "Freunde" auch über lange Zeit zurück abrufen und dabei gezielt nach Jahren oder auch Monaten nachschlagen. Stellt der Nutzer die Möglichkeit nicht ab, so wird auch sichtbar, wann er sich mit anderen Nutzern über Facebook "befreundet" hat. Außerdem versucht Facebook, über die interaktiven Lebensläufe an historisches Material seiner Nutzer zu gelangen. Diese haben nämlich die Möglichkeit, Fotos aus ihrer eigenen Vergangenheit nachzutragen, bis hin zur Geburt. Zudem können Elemente per Mausklick gezielt in der Chronik hervorgehoben werden, beispielsweise ein Hochzeitsfoto oder die Statusmeldung über den eigenen Nachwuchs.
"Die Hauptgefahr besteht wohl darin, dass der Nutzer angeregt oder angeleitet wird, aus seiner Vita Daten preiszugeben, die er zuvor nicht preisgegeben hätte", sagt der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar. "Die Selbstinszenierung des eigenen Lebens führt dazu, dass wir uns dann bewusst zu gläsernen Menschen machen und unseren gesamten Lebenslauf vor uns hertragen." Die Betroffenen müssten die Risiken kennen, die mit den interaktiven Lebensläufen einhergehen. "Es muss klar sein, dass noch deutlicher wird, welche Vorlieben, Eigenheiten, Freunde und Kontakte der Nutzer hat", sagte der Datenschutzbeauftragte. Besonders problematisch sei die Umstellung bei Profilen von Kindern und Jugendlichen, die möglicherweise aufgrund sozialen Drucks immer mehr Daten ins Netz stellen würden.
Um die Kritik der Datenschützer zu entkräften, argumentiert Facebook, dass jedem Nutzer eine Woche Zeit gegeben wird, seine persönliche Chronik vor der Umstellung zu bearbeiten. Kunden können somit Einträge verbergen oder nachträglich Elemente der Chronik komplett löschen. Datenschützer raten, alle Einträge und Fotos noch einmal zu durchforsten und alles zu entfernen, was nicht Teil des eigenen persönlichen Lebenslaufs sein soll. Die Chronik umfasst vor allem die sogenannten Statusmeldungen und Fotos, aber auch die Bestätigungen von Freundschaften oder persönliche Angaben. Darunter fallen Elemente wie die Zeit des Studiums oder das Antreten neuer Arbeitsstellen.
Private Nachrichten, die wie E-Mails über Facebook ausgetauscht wurden, werden in der Chronik nicht angezeigt. Außerdem wird nicht jeder der weltweit 800 Millionen Nutzer die persönliche Chronik sehen können. Wie bei den klassischen Profilen können auch nur diejenigen den Lebenslauf einsehen, für die die Zeitleiste bewusst freigeschaltet wurde. Abseits der Kritiker gibt es auch Fürsprecher der Facebook-Chronik. Der Hamburger IT-Experte Hannes Federrath sieht darin eine Möglichkeit "für mehr Transparenz". Daten, die bisher bei Facebook vorhanden seien und die das Unternehmen auch auswerten könne, werden nun deutlicher für den Benutzer sichtbar gemacht, sagte Federrath. "Dies dürfte das Bewusstsein der Menschen steigern, dass man eigentlich vorsichtig umgehen sollte mit der Preisgabe personenbezogener Daten", sagte er.
Facebook strebt Börsengang an
Facebook wird seinen mit Spannung erwarteten Mega-Börsengang wohl in den kommenden Tagen auf den Weg bringen. Das weltgrößte Online-Netzwerk könne zum Mittwoch die nötigen Unterlagen bei der US-Börsenaufsicht einreichen, berichtete am Wochenende das „Wall Street Journal“ – und wenig später auch die „Financial Times“ und die Finanznachrichtenagentur Bloomberg. Das wäre der erste Schritt auf dem Weg zum Parkett. Bis zum eigentlichen Börsengang dürften dann aber noch Monate vergehen. Aktuell wird mit April oder Mai gerechnet.
Facebook strebt demnach wie schon erwartet eine Bewertung von 75 bis 100 Milliarden Dollar an (57 bis 76 Mrd Euro). Damit würde der Senkrechtstarter sofort mehr auf die Waage bringen als die meisten Dax-Konzerne: Siemens ist rund 67 Milliarden Euro wert, Volkswagen kommt auf etwa 60 Milliarden Euro, der Chemieriese BASF sowie der Software-Entwickler SAP auf jeweils 56 Milliarden Euro. Das teuerste Unternehmen an der Börse ist derzeit Apple mit einem Wert von gut 417 Milliarden Dollar. Die gewöhnlich gut unterrichteten Medien beriefen sich auf eine eingeweihte Personen. Die verrieten auch, dass vermutlich die US-Investmentbank Morgan Stanley den Börsengang federführend begleiten werde. Das wäre ein Coup für das Wall-Street-Haus. Es winken millionenschwere Gebühreneinnahmen und viel Renommee bei einem der größten Börsengänge aller Zeiten. Auch der Rivale Goldman Sachs soll eine gewichtige Rolle übernehmen.