Unsympathisch fanden viele Zuschauer Stefan Raabs Show-Gegner. So wurde Hans-Martin in kürzester Zeit zum Hass-Martin.
Hamburg. Natürlich sollte man sich gut überlegen, ob und welche Informationen man im Internet veröffentlicht. Aber sogar wenn man selbst keine Daten preisgibt, ist man vor der Verbreitung persönlicher Daten nicht geschützt. Der Fall von Hans-Martin Schulze, dem Gewinner von „Schlag den Raab“ am 12. September, zeigt, wie sich sowohl selbst als auch fremd eingestellte Informationen wie eine Lawine über ein Publikum verbreiten können. In Windeseile verbreitet sich so die Abneigung von Millionen Bürgern über Nacht in Gruppen, Foren und formiert sich sogar auf Produkten wie bedruckten T-Shirts.
Die Sendung „Schlag den Raab“ am Sonnabendabend, in der Moderator und Unterhalter Stefan Raab zum 18. Mal gegen einen Kandidaten in verschiedensten Disziplinen um Geld gespielt hat, war der Ausgangspunkt der Aufregung, die am Ende eher eine Mode-Meinung war. Teilnehmer Hans-Martin Schulze trat sehr selbstbewusst auf und stimmte durch unpassende Bemerkungen und seine offenbar arrogante Ausstrahlung das breite Publikum gegen sich. Noch während der Sendung tauschten sich Fernsehzuschauer auf Internet-Plattformen wie Twitter aus und schimpften gegen den Kandidaten.
Schnell wurde Hans-Martin in Hass-Martin umbenannt. Über sein Profil auf StudiVZ, welches zu dem Zeitpunkt noch jedem Nutzer zugänglich war, holten sich die Zuschauer nähere Informationen über ihn und tauschten sich darüber aus. Sie fanden ihr Urteil in den Informationen, die der 24-Jährige selbst veröffentlich hatte, bestätigt. Über Gruppen mit beleidigenden Namen, die auf den Nutzer-Profilen angezeigt werden, zeigten sich die Zuschauer gegenseitig, was sie von Hans-Martin hielten. Schnell wurden T-Shirts entworfen, auf denen Sprüche abgedruckt sind, die dem Unmut über Hans-Martin Schulze Ausdruck verleihen sollten. Über das Videoarchiv von Pro Sieben konnten Internet-Nutzer, welche die Sendung nicht gesehen hatten, in den folgenden Tagen nachholen, was sie versäumt hatten und sich ebenfalls ein Bild machen. Die Menge derjenigen die Hans-Martin schmähten wuchs.
Schon am Tag nach der Ausstrahlung tauchten im Internet Scans eines Artikels über Hans-Martin Schulze in seinem angeblichen Abitur-Jahrbuch seines Abschlussjahrganges. Auch dort finden sich Meinungsäußerungen anderer Schüler über den jungen Mann, welche gut in das Bild des aufgebrachten Publikums passten. Es ist schwer vorstellbar, dass Hans-Martin Schulze diese Seiten selbst in Umlauf gebracht hat. Viel mehr wird ihm ein ehemaliger Mitschüler diesen unsäglichen Dienst erwiesen haben.
Hans-Martins Image war am Montagabend so sehr geschädigt, dass selbst ein besonnener Auftritt bei Raabs Unterhaltungs-Sendung „TV Total“ an der Publikumsmeinung nichts ändern konnte. Aber nicht jeder wurde von der Massenbewegung mitgerissen. Auf StudiVZ haben sich mittlerweile Gruppen gebildet, die Hans-Martin Schulze unterstützen.
Die Auswirkungen des schnellen Datenaustausches im Internet beschäftigen auch Christian Schlender. Auf einer Internetseite mit der irreführenden Adresse www.hassmartin.de , die er gleich am Folgetag der Ausstrahlung von „Schlag den Raab“ ins Leben rief, dokumentiert er den Verlauf des Hypes um den Sieger der Sendung. Der Student sieht das Geschehen kritisch. Er wisse, dass es in Amerika schon ähnliche Fälle gegeben habe, die schlimme Folgen gehabt hätten, sagte er in einem Interview auf jetzt.de . „Da mussten Menschen in psychiatrische Behandlung, weil sie über das Internet von einer Hetzkampanie überwältigt wurden.“
Es ist nicht bekannt, wie Hans-Martin Schulze mit seiner Berühmtheit zurecht kommt. Aber jeder, der sich darum ein wenig bemüht hat, kann nun nach kaum nennenswertem Aufwand über Suchmaschinen wie Google wissen, wie Hans-Martin Schulze aussieht, wo er herkommt, was er beruflich macht, was unzählige Menschen über ihn denken, was möglicherweise Mitschüler über ihn gedacht haben, was seine Hobbys und Interessen sind. Leute, die den jungen Mann noch nie zuvor gesehen oder beachtet haben, können sich - gefärbt durch eine breit vertretene Meinung – ein Bild von ihm machen und ihm mit diesem begegnen: Nachbarn, Kollegen, Arbeitgeber und nicht zu letzt solche, die ihm auf Internet-Plattformen Prügel angedroht haben.