Asphaltblase, Rennpappe, Duroplastbomber - Spott und Schmähungen hat der Kleine aus Sachsen schon immer ertragen müssen. Er war laut, er stank, war durstig, unbequem und mit einer Aerodynamik gesegnet, die ungefähr der des Palastes der Republik entsprochen haben dürfte. Und doch: Irgendwie haben ihn alle immer lieb gehabt. So wie Abendblatt- Redakteur Matthias Gretzschel, der 1983 zu seinem ersten Trabi kam.
Kurz nach meinem 18. Geburtstag tat ich das, was fast alle DDR-Bürger mit Erreichen der Volljährigkeit erledigten: Ich bestellte beim VEB IFA-Vertrieb Berlin einen Trabant 601 de luxe, der damals etwa 12 000 Ostmark kostete. Die voraussichtliche Lieferzeit betrug schätzungsweise 15 Jahre. Demnach hätte ich das Fahrzeug im Laufe des Jahres 1990 bekommen müssen.
Tatsächlich aber bin ich dank einer Erbschaft bereits 1983 zu einem Trabi gekommen, der zu diesem Zeitpunkt zwar schon 19 Jahre alt war, mit 20 000 Ostmark aber deutlich mehr kostete als ein Neuwagen.
Wie es dazu kam?
Offiziell durften Gebrauchtwagen damals nur zu einem staatlich festgelegten Preis verkauft werden. Aber wer wirklich einen haben wollte, der musste inoffiziell deutlich mehr drauflegen.
Unser hochbetagter Trabi - den meine Frau übrigens "Rumpelstilzchen" taufte, weil er ständig irgendwelche Rumpelgeräusche von sich gab - hatte einen merkwürdigen und gewöhnungsbedürftigen Farbton, dessen Komposition den Experten beim VEB Sachsenring Zwickau viel Mühe bereitet haben muss. Einer unserer Freunde bezeichnete diese Farbe, wie ich finde, sehr treffend als Lindbein - als eine Mischung aus Lindgrün und Elfenbein.
Unser "Rumpelstilzchen" war weder bequem noch besonders schnell (wenn ich mich richtig erinnere maximal 118 km/h), dafür aber recht durstig (durchschnittlich neun Liter Benzin-Öl-Gemisch im Verhältnis 1:33), doch es brachte uns immerhin bis nach Bukarest und an die bulgarische Schwarzmeerküste.
Wie die meisten DDR-Bürger verband auch uns mit unserem Trabi eine merkwürdige Hassliebe: Natürlich hätten wir viel lieber ein "richtiges" Auto gehabt. Und wenn auf den Transitautobahnen Richtung Berlin all die Golfs, BMWs und Mercedesse an uns vorbeipfiffen, fanden wir das Leben verflucht ungerecht.
Es gibt kein besseres Symbol für die DDR als den Trabi: Er war jahrzehntelang hoffnungslos veraltet, wurde aber trotzdem bis zum bitteren Ende unverdrossen zusammengeschraubt. DDR-Experten waren sich sicher, dass man damals selbst in Zwickau zu den gleichen Kosten ein viel besseres, leistungsfähigeres und zugleich sparsameres Auto hätte produzieren können. Doch das hätte Veränderungen erfordert - und davor fürchteten sich die Funktionäre.
So blieb der Trabant seit Mitte der 60er-Jahre bis zu seinem Ende nach der Wende, was und wie er immer war: laut, stinkend, durstig, unbequem und mit einer Aerodynamik, die ungefähr der des Palastes der Republik entsprochen haben dürfte. Andererseits wird mir noch heute warm ums Herz, wenn ich dieses unverwechselbare Tengtengtengereng höre, das nur der 26 PS starke Zweitaktmotor eines Trabant 601 hervorzubringen vermag.
Nicht zufällig wurde und wird dieses eigentlich unmögliche Auto fast immer nur zärtlich Trabi genannt. Inzwischen ist er zum Kult geworden und außerdem zum wichtigsten Symbol jener Ostalgie, die in Wahrheit nur Nostalgie ist: Als wir noch Trabi fuhren, waren wir jung - und die Zukunft schien unbegrenzt.
Ich weiß nicht, ob der VEB IFA-Vertrieb Berlin in den letzten Tagen der DDR noch eine Abholbescheinigung für meinen 1975 bestellten Trabant 601 de luxe an meine Leipziger Adresse geschickt hat. Damals lebte ich längst im Westen, und das Thema Trabi gehörte ins Reich der seligen Erinnerungen an unser längst verblichenes "Rumpelstilzchen".
Trotz alledem: Von Zeit zu Zeit überkommt mich die Lust. Dann möchte ich mich in einen Trabi quetschen und den Benzinhahn öffnen - um endlich einmal wieder den Sound meiner Jugend erklingen zu lassen: tengtengtengereng.