Wegen 1,30 Euro hat sie ihre Stelle verloren - nun will die Berliner Supermarkt-Kassiererin Barbara E. vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Mit Bildern zur Kassiererin Barbara E.
Berlin. Wegen 1,30 Euro hat sie ihre Stelle verloren - nun will die Berliner Supermarkt-Kassiererin Barbara E. (50) vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Ihr Anwalt kündigte am Freitag den Gang nach Karlsruhe an. Die Frau war nach 31 Jahren gekündigt worden, weil sie zwei Pfandbons über 48 und 82 Cent unterschlagen haben soll.
Das Berliner Landesarbeitsgericht erklärte die fristlose Kündigung am Dienstag für rechtens (Az.: 7 Sa 2017/08). Das Urteil hatte bundesweit Empörung bei Gewerkschaften und Politikern ausgelöst. Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sprach - nach zunächst deutlicheren Worten - von einem unverhältnismäßigen Urteil. Anwalt Benedikt Hopmann argumentiert nun, die Bedeutung und Tragweite der Grundrechte der Kassiererin seien verkannt worden.
Barbara E. sei durch den Richterspruch von der Ausübung ihres Berufs abgeschnitten - nach Hopmanns Sicht ein Verstoß gegen den Artikel 12 des Grundgesetzes, der das Recht auf freie Berufswahl garantiert. Der Anwalt bot dem früheren Arbeitgeber, der Kaiser's Tengelmann-Gruppe, einen Vergleich an. "Meine Mandantin ist bereit, auf ihre Tätigkeit als Kassiererin einschließlich der Zulage von 62 Euro zu verzichten, wenn sie weiterhin als Verkäuferin eingesetzt wird." Das habe der Arbeitgeber bisher abgelehnt. Die Berliner Richter ließen eine Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zu. Dagegen will Hopmann Beschwerde einlegen.
Inzwischen gibt es weitere Fälle: In Friedrichshafen am Bodensee wurde eine Verkäuferin (40) entlassen, weil 1,36 Euro in der Kasse fehlten. Das Angebot ihres Arbeitgebers, die Unterschlagung zuzugeben, wenn er auf eine Anzeige verzichte, hatte die Frau abgelehnt. Das Arbeitsgericht Ravensburg wandelte die fristlose lediglich in eine ordentliche Kündigung um.
In Frankfurt bestätigte das hessische Landesarbeitsgericht die Kündigung einer Kaufhaus-Kassiererin, die sich Bonus-Punkte zugeschanzt hatte. Besaß ein Kunde keine Bonuskarte, schob sie nach dessen Bezahlung ihre eigene oder die ihrer Tochter in den Schlitz. Auf diese Weise buchte sie in 13 Monaten fast 5000 Euro auf ihr Guthabenkonto (Az.: 9 Sa 1075/08).