Wieder bringt ein Tornado einer US-Stadt Tod und Verwüstung. Der Sturm wütete so schlimm, dass Einwohner vom “Weltuntergang“ sprechen.
Washington. Ein gewaltiger Tornado hat erneut eine Stadt in den USA verwüstet und mindestens 116 Menschen in den Tod gerissen. Nur drei Wochen nach einer verheerenden Sturmserie mit Hunderten Toten im Süden des Landes zog der Tornado am Sonntagnachmittag (Ortszeit) durch den Ort Joplin im Südwesten des Bundesstaates Missouri. Die Schneise der Verwüstung war zehn Kilometer lang und knapp einen Kilometer breit. Rund ein Drittel von Joplin seien dem Erdboden gleich gemacht worden, schätzte Feuerwehrchef Mitch Randles. "Der Sturm hat die Stadt zerschnitten."
Mindestens 2.000 Gebäude wurde schwer beschädigt oder ganz zerstört, an der Südseite der 50.000-Einwohner-Stadt reihte sich Ruine an Ruine: Kirchen, Schulen und Supermärkte sind vernichtet, auch ein Krankenhaus-Komplex mit neun Stockwerken wurde schwer getroffen. Medizinische Ausrüstung und Akten wirbelten bis zu 100 Kilometer durch die Luft. Bäume wurden entwurzelt, Lichtmasten knickten wie Streichhölzer um, Autos wurden in Gebäude geschleudert, an manchen Stellen türmten sich völlig zerbeulte Fahrzeuge. Telefonverbindungen fielen aus, viele Haushalte sind ohne Strom.
Das Ausmaß der Zerstörung in der 215 Kilometer südlich von Kansas City gelegenen Stadt ist so groß, dass mit noch mehr Opfern gerechnet wird. Am Montag wurde in den Schuttbergen mit Hunderten von Hunden nach Vermissten gesucht. Zahlreiche Häuser waren einsturzgefährdet, zusätzlich machten beschädigte Gasleitungen die Rettungsarbeiten riskant: Schon der Nacht zum Montag hatten zahlreiche Feuer die Lage noch verschlimmert. Gouverneur Jay Nixon rief den Notstand aus und die Nationalgarde zur Hilfe.
US-Präsident Barack Obama sprach Nixon in einem Telefongespräch sein Beileid aus. Er bete für die Opfer und die betroffenen Familien, sagte er dem Gouverneur am Montagmorgen nach seiner Ankunft zu einem Irland-Besuch in Dublin. Obama versprach außerdem rasche Hilfe beim Wiederaufbau und schickte den Chef der nationalen Behörde für Katastrophenmanagement, Craig Fugate, ins Katastrophengebiet. Dort soll er die Hilfsmaßnahmen koordinieren.
Der Sturm brach über die Stadt herein, als sich die Einwohner zuhause auf den Abend einrichteten. Sirenen warnten sie 20 Minuten vor dem Eintreffen vor dem drohenden Unheil, aber sintflutartiger Regen und Hagel verursachten so viel Lärm, dass viele den Alarm wohl gar nicht mitbekamen, wie Gouverneur Nixon dem Sender CNN sagte. Angesichts drohender Gasexplosionen sprach er von einer „sehr, sehr heiklen Situation“ bei den Rettungsarbeiten.
Anderen Bewohner der Stadt stockte der Atem, als sie bei Tagesanbruch die Verwüstungen sahen. "Es sieht aus wie im Zweiten Weltkrieg“, sagt Kerry Sachetta, Direktorin der zerstörten Joplin High School. „Ich konnte nicht mal die Seite des Gebäudes wiedererkennen." Auf der anderen Straßenseite, gegenüber der Schule, stand am Sonntagmorgen noch eine Kirche - am Abend gab es das Gotteshaus nicht mehr.
Krankenhelfern und Ärzten des St. John's Regional Medical Center blieben nur wenige Minuten, Patienten aus ihren Zimmern in stabileren Fluren in Sicherheit zu bringen. Dann kam der Sturm, zersplitterte Hunderte von Fensterscheiben und zwang zur kompletten Evakuierung. Trümmer der Klinik, Papiere und medizinische Gegenstände wurden später in weit entfernten Teilen von Jasper County, dem Bezirk, in dem Joplin liegt, und benachbarten Gegenden gefunden.
In einem Baumarkt, der den Sturm überstand, bekamen Verletzte Erste Hilfe, Holzbretter wurden zu Betten, Krankenwagen brachten in kurzen Abständen immer wieder neue Patienten. An mehreren Stellen der Stadt entstanden Notunterkünfte, die sich rasch füllten. Auch die Staatsuniversität wurde zur Herberge für Obdachlose.
Einwohner Donald Davis stand fassungslos vor einem Trümmerhaufen, der noch vor kurzem ein großer Mietwohnungskomplex war. „Die Wohnungen sind plattgemacht. Es müssen fast 150 gewesen sein“, zitiert ihn die Zeitung "News Leader".
Jeff Law hatte während des Sturms einen Freund besucht und sich im Keller seines Hauses in Sicherheit gebracht. Als es vorbei war, ging er nach draußen. "Ich habe in dieser Nachbarschaft mein ganzes Leben verbracht", schildert er. "Und ich wusste nicht, wo ich mich befand. Da war nichts wiederzuerkennen. Einfach nichts wiederzuerkennen. Es war wie der Weltuntergang."