Rettungskräfte suchen in Trümmern nach Verschütteten. Steinbrocken versperren Straßen. Und in der Stadt Lorca sind fast alle Gebäude beschädigt.

Murcia. Nach dem Erdbeben im Südosten Spaniens haben mehr als 20.000 Menschen die Nacht im Freien verbracht. In der am schlimmsten betroffenen Stadt Lorca glichen Plätze und Schulhöfe am Donnerstag Flüchtlingslagern. Bei dem schlimmsten Beben in Spanien seit 55 Jahren wurden am Mittwoch nach einer offiziellen Bilanz acht Menschen getötet und mehr als 160 verletzt. Die Bergungsmannschaften suchten unter den Trümmern nach möglichen weiteren Opfern. Allerdings wiesen die Rettungsdienste darauf hin, dass keine Vermissten gemeldet worden seien. Das Beben am Mittwoch hatte nach Angaben der europäischen Erdbebenwarte eine Stärke von 5,2. Weniger als zwei Stunden zuvor hatte es Erdstöße der Stärke 4,5 gegeben, die aber keine größeren Schäden angerichtet hatten.

Unter den Opfern sind auch ein 14-jähriger Junge und eine schwangere Frau im Alter von 22 Jahren. Nach Angaben der Behörden sind unter den Toten keine Ausländer. Eine Sondereinheit des Militärs begann mit den Aufräumarbeiten. Das Ausmaß der Schäden war zunächst nicht abzusehen. Der Bürgermeister von Lorca, Francisco Jódar, sagte, die rund 20.000 Gebäude der Stadt seien fast alle mehr oder weniger stark beschädigt.

Der Erdbebenexperte Emilio Carreño erläuterte, das Beben habe deshalb so große Schäden verursacht, weil das Epizentrum nicht tief unter der Erde, sondern relativ nahe an der Oberfläche gelegen habe. Zudem sei das Epizentrum nur wenige Kilometer von Lorca entfernt gewesen, der mit rund 100.000 Einwohnern drittgrößten Stadt der Region Murcia.

Luis Eugenio Suárez, Präsident des spanischen Geologen-Verbandes, betonte, bei den Erdstößen hätte es keine Toten geben dürfen. Die Region Murcia hätte auf ein Beben dieser Art besser vorbereitet sein sollen. Die Erdstöße seien eigentlich nicht stark genug gewesen, um Gebäude zum Einsturz zu bringen. Die betroffenen Bauwerke hätten wahrscheinlich schon vorher Mängel oder Schäden aufgewiesen.

Nach Angaben der weltweit registrierenden US-Erdbebenwarte USGS lag das Zentrum des Bebens in einer Tiefe von nur etwa einem Kilometer, etwa 50 Kilometer südwestlich von Murcia und etwa 118 Kilometer von Alicante entfernt. Die US-Warte bezifferte die Stärke auf 5,1. In der Nacht wurden Dutzende von Nachbeben registriert. Das Beben war eines der stärksten in der spanischen Geschichte. Die letzte vergleichbare Katastrophe liegt 55 Jahre zurück. Im April 1956 wurden in der Gegend von Granada zwölf Menschen getötet.

Unter den Bewohnern von Lorca war bei dem Beben eine Panik ausgebrochen. Mehrere Gebäude stürzten ein. Ein Altenheim und ein Krankenhaus mussten geräumt werden. Hunderte Patienten wurden in andere Krankenhäuser verlegt. Die wichtigste Autobahn der Region wurde gesperrt, weil in einem Tunnel Steinbrocken von der Decke auf die Straße gestürzt waren. In Fahrbahnen und Talbrücken entstanden Risse. „In meiner Wohnung taten sich die Wände auf, und alle Möbel sind umgestürzt“, berichtete eine Bewohnerin von Lorca. Das Dach einer Kirche stürzte ein, und die historische Burg der Stadt wurde beschädigt.

Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero unterbrach seinen Wahlkampf für die bevorstehenden Regional- und Kommunalwahlen, um die Rettungsarbeiten zu koordinieren. Gemeinsam mit weiteren Regierungsvertretern wurde er im Laufe des Tages in Lorca erwartet.

In Spanien sind schwere Erdbeben relativ selten. Im Süden des Landes werden zuweilen Erdstöße registriert, die in der Regel aber keine Schäden anrichten. Murcia ist die am stärksten erdbebengefährdete Region in Spanien.