St. Petersburg. Bouhaddouz trifft bei der WM spektakulär per Flugkopfball – allerdings ins eigene Tor. St. Pauli spendet dem Stürmer umgehend Trost.

Aziz Bouhaddouz war der einsamste Mann im riesigen Stadion von St. Petersburg. Der Stürmer des Zweitligisten FC St. Pauli, für den mit der WM-Nominierung ein Traum in Erfüllung gegangen war, sank nach seinem späten Eigentor bei Marokkos 0:1 (0:0) gegen den Iran zu Boden. Die Tränen schossen ihm in die Augen. In der fünften Minute der Nachspielzeit entschied Bouhaddouz eine Partie, die eigentlich keinen Sieger verdient hatte.

Das Eigentro noch einmal aus einer anderen Perspektive
Das Eigentro noch einmal aus einer anderen Perspektive © Getty Images

Nach einem Freistoß von der linken Seite hechtete der erst in der 77. Minute eingewechselte Stürmer dem Ball entgegen und wuchtete ihn per Flugkopfball spektakulär in die eigenen Maschen. Bouhaddouz verhalf dem Gegner, der in der zweiten Hälfte keinen einzigen Schuss aufs Tor gebracht hatte, damit zum Lucky Punch.

"Er will hingehen und retten. Dass er dann so unglücklich wegrutscht, passiert eben", analysierte ARD-Experte Thomas Hitzlsperger. "Niemand möchte jetzt in der Haut von Bouhaddouz stecken. Er ist wirklich eine arme Sau." Und Co-Experte Stefan Kuntz meinte: "Du kannst ihn in den Arm nehmen. Groß reden hilft da auch nicht. Da hilft jetzt auch kein Trost."

Bouhaddouz entschuldigt sich bei den Fans

Aufmunternde Worte für den geknickten Schützling kamen umgehend aus Hamburg. "Kopf hoch, Aziz", twitterte der FC St. Pauli. Für den Kiezclub traf der 31-Jährige in der abgelaufenen Saison vier Mal. "Am Ende war es ein Albtraum, dass mir der Ball über den Kopf gerutscht ist", sagte der Unglücksrabe später selbst: "Ich kann mich nur bei allen marokkanischen Fans entschuldigen."

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Das historische Ausmaß des unglücklichen Eingriffs in das Spielgeschehen verdeutlicht auch dieser Fakt: Bouhaddouz unterlief als erstem Einwechselspieler seit der WM 2006 ein Eigentor. Damals hatte der Portugiese Petit im kleinen Finale gegen Gastgeber Deutschland (1:3) ins eigene Tor getroffen.

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Zweiter WM-Sieg für Iran überhaupt

Während Bouhaddouz weinte, feierte der Iran. Bei seiner fünften Endrundenteilnahme schöpft das "Team Melli" Hoffnung auf das erste Achtelfinale seiner WM-Geschichte - auch wenn noch die großen Favoriten Spanien und Portugal warten. Der Sieg gegen Marokko war erst der zweite überhaupt für das fußballbegeisterte Land vom Persischen Golf nach dem 2:1 gegen die USA am 21. Juni 1998.

Marokko enttäuschte dagegen beim WM-Comeback nach 20 Jahren auf ganzer Linie. Die Nordafrikaner hatten in der Qualifikation kein einziges Gegentor kassiert und sich mit ihren in Europa ausgebildeten Jungstars und dem erfahrenen Kapitän Mehdi Benatia gute Chancen ausgerechnet. Nach einer ordentlichen Anfangsphase rückten der Sieg und damit die Aussicht auf das Achtelfinale jedoch von Minute zu Minute in weitere Ferne. Auch Amine Harit von Schalke 04 konnte vor den 62.548 Zuschauern kaum Akzente setzen.

Der Iran war über weite Strecken der Partie jedoch noch ungefährlicher. In der zweiten Halbzeit gaben sie nicht einen Schuss aufs Tor ab - und gewannen doch. Nervös und sichtlich beeindruckt von den lautstarken Fans der Marokkaner hatten sie anfangs fast jeden Ball beinahe freiwillig abgegeben. Marokkos Trainer Herve Renard freute sich am Feldrand über den Schwung seiner Elf, ärgerte sich aber über die schwachen Abschlüsse.

Die Statistik

Marokko

El Kajoui/CD Munacia (29 Länderspiele/0 Tore) - Nordin Amrabat/CD Leganes (46/4) ab 76. Sofyan Amrabat/Feyenoord Rotterdam (7/0), Benatia/Juventus Turin (61/4), Saiss/Wolverhampton Wanderers (27/2), Hakimi/Real Madrid (13/1) - El Ahmadi/Feyenoord Rotterdam (53/1) - Ziyech/Ajax Amsterdam (19/10), Belhanda/Galatasaray Istanbul (51/5), Boussoufa/Al Jazira (62/7), Harit/Schalke 04 (8/0) ab 82. Da Costa/Basaksehir (28/2) - El Kaabi/Renaissance de Berkane (4/2) ab 77. Bouhaddouz/FC St. Pauli (16/3). - Trainer: Renard

Iran

Beiranvand/Persepolis (23/0) - Rezaeian/KV Ostende (27/2), Pouraliganji/Al-Saad (28/2), Cheshmi/Esteghlal (10/1), Hajsafi/Olympiakos Piräus (95/6) - Amiri/Persepolis (36/1), Ebrahimi/Esteghlal (30/0) ab 79. Hosseini/Esteghlal (2/0) - Jahanbakhsh/AZ Alkmaar (39/4) ab 84. Ghoddos/Östersunds FK (8/1), Shojaei/AEK Athen (75/8) ab 68. Taremi/Al-Gharafa (27/11), Ansarifard/Olympiakos Piräus (65/18) - Azmoun/Rubin Kasan (33/23). - Trainer: Queiroz

Schiedsrichter

Cüneyt Cakir (Türkei)

Tor

0:1 Bouhaddouz (90.+5, Eigentor)

Zuschauer

62.548

Gelbe Karten

El Ahmadi - Shojaei, Jahanbakhsh, Ansarifard

Torschüsse

14:7 

Ecken

5:2

Ballbesitz

63:37 %

Zweikämpfe

87:71

1/10

Ex-Bayer Benatia vergibt größte Chance

Die größte Chance der Marokkaner besaß der ehemalige Münchner Benatia (19.). Die Iraner atmeten durch, befreiten sich tatsächlich vom Dauerdruck ihrer Gegner und wurden sogar selbst gefährlich. Stürmer Sardar Azmoun hatte die Führung auf dem Fuß, scheiterte jedoch kurz vor der Pause (43.) ebenso am starken Torwart Monir El Kajoui wie Alireza Jahanbakhsh im Nachschuss.

Für Aufregung im iranischen Quartier in Moskau hatte Ausrüster Nike gesorgt, der wegen politischer Sanktionen kurzfristig die Lieferung der Schuhe stoppte. Auch die Fans in der Heimat hatten sich den WM-Auftakt anders vorgestellt. Das angekündigte Public Viewing im Azadi-Stadion von Teheran wurde offenbar ohne Angaben von Gründen untersagt, nachdem die Betreiber angekündigt hatten, auch Familien den Eintritt zu gewähren. Frauen ist es in dem konservativen muslimischen Land nicht erlaubt, ins Stadion zu gehen.

Auf dem Rasen dominierte nach der Pause der Kampf, allerdings nie derart unübersichtlich, dass das deutsche Trio Felix Zwayer (Berlin), Bastian Dankert (Rostock) und Mark Borsch (Mönchengladbach) im Moskauer Video-Studio zum Einsatz kommen musste.