Hamburg. 2014 gründeten enttäuschte HSV-Fans den HFC Falke. Ein Fußballclub, der ohne Kommerz auskommen will. Und das funktioniert.
Wenn Tamara Dwenger an „ihren“ Club denkt, ist das Funkeln in ihren Augen zu erkennen. Eine aus dem Frust heraus entstandene Idee ist Wirklichkeit geworden. „Die Vereinsgründung war eine Kopfgeburt, wurde schnell zur Herzensangelegenheit. Und wenn ich heute auf das zurückblicke, was wir geschafft haben, bin ich stolz.“ Dwenger war 18 Jahre Mitglied beim HSV und arbeitet als Spediteurin, also ausgerechnet im selben Metier wie Klaus-Michael Kühne.
Das war es dann aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Aus Ärger über die Ausgliederung der Profiabteilung gründete die 31-Jährige zusammen mit Freunden, Bekannten und Leidensgenossen vor eineinhalb Jahren den HFC Falke, dem sie als Präsidentin vorsitzt. Ein Gegenentwurf zum modernen Fußballgeschäft. 300 Mitglieder zählten die Falken bei der Gründung. Inzwischen sind es rund 400. Tendenz steigend.
Seit mehr als einem Jahr nimmt der HFC am Spielbetrieb teil
Ende Juli 2015 das erste Pflichtspiel. Das Zuschauerinteresse war gewaltig, teilweise kamen und kommen 600 bis 700 Fans zu den Heimspielen in der Kreisklasse 5. Einige Begegnungen der Falken an der Waidmannstraße waren besser besucht als alle anderen Partien in Hamburg – bis hoch zu Ober- und Regionalliga. Die sportliche Bilanz liest sich ebenso eindrucksvoll: 17 Siege, ein Unentschieden, keine Niederlage bei einem Torverhältnis von 86:10. Der Zweitplatzierte, die Reserve von BW 96 Schenefeld, liegt fünf Punkte zurück, bei allerdings einem Spiel weniger. Auf Platz drei steht der BSV 19 II, gegen den der HFC Falke am vergangenen Wochenende 2:1 gewann. Die restlichen Teams sind weit abgeschlagen. Wenn auch erklärtes Ziel, ein Selbstläufer ist der direkte Aufstieg nicht.
Seit mehr als einem halben Jahr nimmt der HFC Falke nun am Spielbetrieb teil. Was läuft gut? Was läuft weniger gut? Welche Projekte können, müssen oder sollen angeschoben werden? Welche Wünsche hat der HFC für die Zukunft? Schnell wird klar: Es ist eine ganze Menge, womit sich Mitglieder und Präsidium plötzlich auseinandersetzen müssen. Denn das, was sie bei Falke aufbauen wollen, soll etwas Langfristiges werden. Etwas, was bleibt und eine Alternative zum kommerziellen Profifußball darstellt.
„Wir spielen nicht Fußball, um Geld zu verdienen“
Momentan besteht diese Alternative und somit der gesamte Verein allerdings nur aus einer einzigen Mannschaft. Das soll sich vom Sommer an ändern. Dann nämlich melden die Falken eine Zweitvertretung. Doch damit nicht genug. Von 2017 an soll nach und nach der Jugendbereich entstehen – quasi die Kükenschmiede.
„Wenn man erfolgreich Fußball spielen will, braucht man einen Jugendunterbau. Was gibt es außerdem Schöneres, als irgendwann den ersten eigenen Jugendspieler in die Ligamannschaft zu integrieren?“, zeigt sich Philipp Markhardt begeistert. Der 35-Jährige ist als Beisitzer Teil des fünfköpfigen Präsidiums um Tamara Dwenger, ehemaliger HSV-Allesfahrer und beruflich als PR-Berater tätig. Einer, der sich mit Sponsoring, Budgets, Imagegestaltung auskennt.
Denn ohne Geld geht auch im Amateurfußball nichts. Das ist ihnen bei Falke durchaus bewusst. Trotzdem: „Ein möglicher Sponsor muss immer auch zum Verein passen, einen lokalen Bezug haben“, sagt Markhardt. Und Dwenger ergänzt: „Wir wollen und müssen Geld verdienen, um Fußball zu spielen, wir spielen aber nicht Fußball, um Geld zu verdienen. Das ist der entscheidende Unterschied.“ Und so kassieren die Spieler folgerichtig auch kein Geld mit ihrem Engagement bei Falke.
Im Gegenteil: Jeder der Akteure ist zahlendes Mitglied. Dass dieses System nicht ewig aufrechtzuerhalten ist, liegt auf der Hand. Im Amateurfußball ist es heutzutage Usus, von der siebtklassigen Bezirksliga an mindestens eine Aufwandsentschädigung an die Spieler zu zahlen. Dem werden sich auch die Falken nicht entziehen können.
Das Logo zum freien Download – so kann jeder sich seinen Fanartikel basteln
„Uns schwebt bereits ein Prämiensystem vor, welches sich zum Beispiel individuell an Toren, Vorlagen und Zu-null-Spielen orientiert“, sagt Dwenger. Ähnlich verhält es sich mit den Fanartikeln. „Wir haben eine relativ kleine Produktpalette von circa zehn Artikeln – Schal, Trikot, Fahne und Co. gehören einfach dazu“, relativiert die Präsidentin mögliche Rufe nach angeblichem Kommerz beim Anti-Kommerz-Club. Zudem stelle der Club das Vereinslogo im Internet kostenlos zum Download bereit: „So kann jeder individuell entscheiden, ob er sich einen Gartenzwerg im Falke-Design erstellt.“
Es habe insgesamt ein Umdenken in ihrem Umfeld gegeben, was die Betrachtung des Profifußballs angeht. Das berichten viele Falke-Sympathisanten. Seien es mögliche Montagsspiele in der Bundesliga, von Sponsoren präsentierte Eckballstatistiken oder überteuerte Wurst- und Bierpreise im Stadion: „Man merkt immer mehr, dass die Fans in diesem Millionengeschäft unwichtig werden. Sie sind eher notwendiges Übel“, bilanziert Markhardt, der nicht etwa verbittert, eher entschlossen wirkt – getreu dem Vereinsslogan: „Dankbar rückwärts, mutig vorwärts.“
Und so halten sie es bei ihrem HFC Falke mit einem bekannten Schlachtruf aus der eigenen Fankurve: „Keine Investoren und kein Sky-TV, denn wir haben einen Traum: Oberliga zu schau’n.“ Bis sich dieser Traum allerdings erfüllt, gilt vorerst alle Konzentration der Kreisklasse 5. So auch am Sonntag. Der HFC gastiert bei der zweiten Mannschaft der Groß Flottbeker Spielvereinigung in der Notkestraße. Anpfiff ist um 13 Uhr. Auf Grant.