Drei Jahre nach seinem letzten Triumphzug über die Spielplätze Wimbledons verdarb Federer mit seinem 4:6, 7:5, 6:3, 6:4-Sieg den Briten nicht nur den sporthistorisch größten Moment seit dem WM-Finale 1966 im Wembleystadion, sondern er holte für sich selbst zum großen Schlag aus: mit Grand-Slam-Titel Nummer 17, ein neuer Rekord. Mit Wimbledonerfolg Nummer 7, der Einstellung der Bestmarke von Pete Sampras und William Renshaw.

London. Es war ein historisches Wimbledon, mit dem ersten Herrenfinale unterm geschlossenen Centre-Court-Dach und einem britischen Männerhelden, der eine 76 Jahre lange Titeldürre beendete. Doch dieser stolze heimische Sieger gewann schon am Sonnabend im Doppelwettbewerb, hieß, zum Verwechseln ähnlich, Jonathan Marray - und eben nicht Andy Murray. Er, der Hoffnungsträger des ganzen Vereinigten Königreichs, scheiterte im großen Schlussakt, im letzten aller Turniermatches der All England Championships 2012, am grandiosen Altmeister Roger Federer, der nach dem Happy End seiner Grand-Slam-Mission um 18.09 Uhr ergriffen zur Erde sank.

Drei Jahre nach seinem letzten Triumphzug über die Spielplätze Wimbledons verdarb Federer mit seinem 4:6, 7:5, 6:3, 6:4-Sieg den Briten nicht nur den sporthistorisch größten Moment seit dem WM-Finale 1966 im Wembleystadion, sondern er holte für sich selbst zum großen Schlag aus: mit Grand-Slam-Titel Nummer 17, ein neuer Rekord. Mit Wimbledonerfolg Nummer 7, der Einstellung der Bestmarke von Pete Sampras und William Renshaw. Und mit dem Sprung zurück auf den Gipfel der Weltrangliste. "Es ist ein magischer Moment, den ich am liebsten ewig festhalten möchte. Einer der größten Momente meiner Karriere", sagte Federer, als ihm der silberne Siegerpokal ausgehändigt worden war. Als er dann zur Ehrenloge hochblickte, zu seinen Zwillingsmädchen Charlene und Myla, 3, war Federer den Tränen nahe: "Das ist ein Traum. Ich wollte immer, dass sie so einen Tag miterleben." Der geschlagene Murray, in seinem Weltschmerz fast unfähig, die Niederlage zu kommentieren, sagte mit belegter Stimme: "Es war ein Privileg, in diesem Finale zu spielen. Leider gegen einen Mann, der nicht schlecht für einen 30-Jährigen ist. In ihm steckt immer noch ein Meister."

+++ Nachspiel: Chapeau, Roger Federer +++

Die Rückeroberung seines grünen Tennisparadieses war ein Stresstest für den Maestro, der alle Erfahrung und Willenskraft aufbieten musste, um seinen starken Herausforderer ins Tränental zu stürzen. Den Untergangspropheten, die ihn jenseits der Dreißig oft abgeschrieben hatten, versetzte der Eidgenosse auf dem heiligen Grün an der Church Road einen Punch wie den Millionen sehnsuchtsvollen Tennisfreunden auf der Insel. Es war ein Sieg Federers gegen die Zweifler, aber vor allem war es ein Sieg für das Selbstwertgefühl - und eine Krönung seiner späten Karrierejahre. So stürmte er wie Roger Immergrün über seine geliebte Spielwiese, der auch neun Jahre nach seinem Durchbruchtriumph im All England Club (2003) weiter eine Leit- und Führungsfigur des Wanderzirkus blieb - eben King Roger.

Ohne härteste athletische Anstrengung und die Qualitäten eines Wettkämpfers wäre er an diesem 8. Juli 2012 allerdings nicht als Triumphator aus dem großen Spiel gegangen. Denn was nur die wenigsten Experten erwartet hatten, war die Courage und Angriffslust, mit der sich der Lokalmatador in die Tennisschlacht stürzte, gleich auf volle Betriebstemperatur kam und Federer auf Anhieb im ersten Aufschlagspiel breakte. Das war auch die Marschroute, die Stratege Ivan Lendl ausgegeben hatte, der grimmige, weise Coach, der vor einem halben Jahr in die Dienste Murrays getreten war. In gewohnt stoischer Pose verfolgte der Champion früherer Tage aus der Ehrenloge, wie Murray sich nicht nur Respekt beim Schweizer Maestro verschaffte, sondern auch lange den Takt der Partie diktierte. Federer konnte von Glück reden, dass er nicht mit einem 0:2-Satzrückstand in die Regenpause nach zwei Stunden ging. Denn im zweiten Akt des hochklassigen Finalduells war es Murray, der alle Statistiken anführte - mehr Gewinnschläge, weniger Fehler, vier Breakchancen. Doch ausgerechnet als der Schotte zum 6:6 servierte, packte Federer, der Meister der Big Points, eine Serie unglaublicher Siegschläge aus, kam wie aus dem Nichts zum 7:5-Satzgewinn. "Das ist der Federer, wie wir ihn kennen. Gnadenlos effektiv. Einer, der ruhig bleibt, wenn er in höchster Gefahr ist", befand TV-Experte John McEnroe.

Als Hallenmeisterschaft ging das Finale mit Beginn des dritten Satzes weiter, und während gleich mehrere Wolkenbrüche auf Murrays Fans niedergingen, vor der Riesenleinwand auf dem Turniergelände, erlebte der Schotte allmählich einen Kontrollverlust. Umso mehr nach dem Schlüsselspiel der Partie, bei einer 3:2-Führung Federers. Murray lag 40:0 in Front, zwanzig Minuten und zehn Einstände später hatte sein Rivale das 4:2 geschafft. Danach servierte Federer den Satz nach Hause. Und entschlossen setzte er nach, holte sich das Break zum 3:2 im vierten. Murray konnte sein Unheil nicht mehr verhindern - seine schon vierte Grand-Slam-Finalniederlage und die persönliche und nationale Enttäuschung.

Kommentar

Die richtige Antwort

Von Cai-Simon Preuten

Roger Federer hat ein Monster kreiert: Der Schweizer Gentleman hat nahezu alle Rekorde mit einem Spiel gebrochen, das unmenschlich leicht daher kommt. So als hätte er das Tennis erfunden. Und weil er auch noch nett und zuvorkommend ist, und das auch noch in drei Sprachen, lieben ihn die Fans auf der ganzen Welt. Niederlagen verzeihen sie ihrem Maestro deswegen allerdings umso weniger. Sie sind stets persönlich beleidigt. Der Abgesang auf seine Karriere wurde immer lauter, unfairer, bösartiger, nachdem Federer es gewagt hatte, zweieinhalb Jahre keinen Grand Slam zu gewinnen. Der Zauber sei verflogen, die Schläge seien längst nicht mehr das, was sie einmal waren. Da spiele mal wieder einer, der nicht weiß, wann es Zeit ist abzutreten.

Die unsinnigsten Ratschläge erteilten die selbsternannten Experten einem der besten Spieler der Tennisgeschichte. Warum nimmt er nicht einen größeren Schläger? Warum schlägt dieser sture Schweizer die Rückhand noch immer einhändig? Warum fährt er ohne Coach durch die Welt? Warum fährt er mit Coach um die Welt? Immer wusste irgendwer es besser, und Federer schwieg.

Was sollte er auch sagen? Für ihn lag die richtige Antwort nur auf dem Platz. In Wimbledon hat er sie gegeben, Novak Djokovic geschlagen und seinen 17. Grand-Slam-Titel gewonnen. Federer ist wieder die Nummer eins der Welt und für seine Gegner das Monster, das er selbst erschaffen hat. (SID)